Schwarze Schafe in Venedig
mal zuhause besuchen – ganz legal diesmal – und ihn höflich fragen, warum die liebe Graziella ihn umlegen wollte, und mich bei gleicher Gelegenheit erkundigen, ob er zufälligerweise wusste, wo sich mein Buch befand? Leider erschien mir das nicht unbedingt eine gangbare Vorgehensweise. Eine geringfügig annehmbarere Möglichkeit wäre die, noch einmal in den Palazzo einzubrechen und zu versuchen, die Antworten auf meine dringendsten Fragen selbst zu finden. Das Problem war bloß, dass es da von Polizisten nur so wimmelte, und selbst wenn ich mitten in der Nacht hinginge, wäre das ein echtes Vabanquespiel. Der Graf und seine Hausangestellten waren momentan sicher furchtbar nervös und so sehr auf der Hut, dass die Gefahr, erwischt zu werden, ungleich höher war als beim ersten Mal.
Aber viel wichtiger, warum juckte mich das überhaupt? Gut, Graziella hatte mich reingelegt, aber womöglich verkomplizierte ich die Sache auch unnötig. Soweit ich wusste, konnte niemand außer mir die Verbindung von der Bombe zu meiner Person herstellen, und ich hatte das komische Gefühl, dass Graziella der Polizei meinen Namen nicht gleich auf die Nase binden würde, weil ich ihr sonst meinerseits die Ordnungsmacht auf den Hals hetzen könnte.
Hmm. Okay, womöglich machte ich es mir damit auch zu einfach. Das hübsche kleine Szenario, das ich mir da zurechtgesponnen hatte, übersah leider den einen oder anderen springenden Punkt. So war mir zum Beispiel das Problem nicht entgangen, Graziella könne womöglich ganz und gar nicht erfreut sein, dass der Graf ihrem hinterhältigen Mordkomplott entgangen war, und die Annahme, sie könne ihm vielleicht abermals nach dem Leben trachten, war sicher nicht zu weit hergeholt. Während ich zwar den Kopf einziehen und mich aus dem Staub machen und so tun könnte, als ginge mich das alles nichts an, hätte ich doch, wenn ich nichts unternahm, um sie aufzuhalten, den Tod dieses Mannes mit zu verantworten. Und schlimmer noch, sollte sie dabei erwischt werden, dann würde sie gewiss ohne zu zögern die Ermittlungsbehörden auf meine Fährte ansetzen, in der Hoffnung, so ihr eigenes Strafmaß zu verringern.
Ach ja, und dann war da ja noch ein kleines, unbedeutendes Detail – Graziella hatte immer noch meinen Malteser Falken , und ich wollte ihn immer noch zurückhaben. Ja, bei Victoria hatte ich gute Miene zum bösen Spiel gemacht, aber das ist so eine Sache mit dem Aberglauben. Der sitzt tief und gräbt sich immer weiter ein, bis man ihm blind glaubt, ganz gleich, was der Verstand auch dazu sagt. Ich versuchte zwar nach Kräften mir einzureden, dass ich auch ohne den Hammett-Roman an der Wand ein ordentliches Buch zustande bringen würde, aber ganz tief in meinem Herzen glaubte ich nicht daran.
Und irgendwie wollte ich es auch gar nicht glauben. Das Buch war immer da gewesen, hatte beim Schreiben treu über mich gewacht, und es fehlte mir sehr – nicht nur, weil es hübsch anzusehen war, sondern vor allem, weil es für mich eine tiefere Bedeutung hatte. Einen Roman zu schreiben, der auch nur halb so gut war wie der Falke, war immer mein größter Traum gewesen – einer, der es womöglich wert war, dass man ihm ein halbes Menschenleben widmet –, und da konnte es nicht schaden, etwas zu haben, das mich daran erinnerte, wenn ich beim Schreiben mal wieder nicht weiterkam oder schimpfend über Korrekturfahnen saß.
Aber mehr noch, muss ich gestehen, trieben mich schnöde Rachegelüste. Graziella hatte mir nicht einfach bloß etwas Kostbares gestohlen und mich mit einem fiesen Trick dazu gebracht, ihren perfiden Mordplan auszuführen – nein, sie hatte mich auch in meinem Stolz gekränkt. Als Dieb ging es mir schrecklich gegen den Strich und die Berufsehre, ausgeraubt zu werden, aber so richtig wurmte mich, dass Graziella meine professionelle Arbeitsweise infrage gestellt hatte. Es stimmte zwar, dass ich eine Auszeit von meinem Langfinger-Lebensstil genommen hatte, aber während mich als Schriftsteller immer Selbstzweifel plagten, hatte ich nie Bedenken bezüglich meiner Fähigkeiten als Einbrecher gehabt. Ich hatte einfach ein Talent dafür, in fremde Häuser einzusteigen, und noch mehr, die darin vorhandenen Habseligkeiten mitgehen zu lassen, aber Graziella hatte mich behandelt, als sei ich ein blutiger Anfänger und hoffnungsloser Amateur. Sie hatte mich beleidigt, und, schlimmer noch, sie hatte mich schlicht unterschätzt, und ich hatte den unwiderstehlichen Drang, es ihr
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