Schwarze Schilde
nahmen ihn zahlreiche Kanus ins Schlepptau und geleiteten ihn zu den Docks.
»Wann greifen die Chiwaner an?« erkundigte sich Shazad besorgt.
»Ich glaube, sie warten die Ankunft des Königs ab, Hoheit.«
»Was?« Der Kapitän wies wortlos zum Hafen hinüber. »O nein!« rief Shazad. Die Kriegsdrache näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Sobald sie den Eingang passiert hatte, stemmten sich die Männer gegen die Ruder und hielten gekonnt an. Dann wurde auf einer Seite rückwärts gerudert, bis der Rammbock auf das Tor deutete. Jetzt tauchten die Männer auf beiden Seiten die Ruder ein. Das Schiff glitt zurück und hielt erst an, als das Heck den Wellenbrecher berührte. Es lag nicht mehr als dreißig Schritt von der Mondschein entfernt, auf der anderen Seite der künstlichen Mole, am südlichen Zipfel der Flotte. Sofort paddelte ein Dutzend Kanus darauf zu.
»Vater!« kreischte Shazad. »Bring dich in Sicherheit!« Natürlich konnte er sie nicht hören, und keinesfalls hätte er ihr auch nur die geringste Aufmerksamkeit geschenkt, wenn er sie trotz des Lärms gehört hätte. An Bord der Kriegsdrache wurden Flaggen geschwenkt, und das riesige chiwanische Schiff bewegte sich vorwärts.
Die unzähligen Ruder hoben und senkten sich immer wieder und trieben die Galeere langsam voran. Ein schnelleres Tempo hätte sie der Gefahr ausgesetzt, die Rümpfe bei einer Berührung mit der steinernen Kaimauer zu zerschmettern. Große, dicke Hanflappen dienten als Polster, um den Aufprall zu mildern.
Bebend und ächzend hielt das gigantische Schiff an. Die nevanische Flotte brach in lauten Jubel aus, als breite Laufplanken krachend von dem Deck, das beide Rümpfe überspannte, niederfielen. Gleichzeitig wurden schmalere Stege vom vorderen Turm auf die Stadtmauern gelegt. Die Truppenfrachter hielten hinter der Galeere an, und die Soldaten schwärmten über Leitern an Deck, um die chiwanischen Krieger zu unterstützen, die bereits an Land stürmten. Zum ersten Mal fiel Shazad auf, dass der Heckturm höher als der Bugturm war, damit die Bogenschützen darüber hinwegschießen oder direkt nach unten zielen konnten, falls feindliche Krieger das Schiff enterten.
Shazad fühlte sich erleichtert. Vielleicht würden sie doch noch siegen. Die Wilden mussten von diesem wagemutigen Vorgehen beeindruckt sein. Am Stadttor entstand Unruhe, und sie hielt das Fernrohr in diese Richtung. Aus irgendeinem Grund war die Sicht verschwommen, und sie wischte die Linse mit dem Schal ab. Dann bemerkte sie, wie dämmrig es bereits war. Sie blickte nach Westen und sah voller Staunen, dass die Sonne unterging. Wohin war der Tag entschwunden? Es kam ihr vor, als sei nur eine Stunde vergangen, seit das erste nevanische Schiff in den Hafen eingedrungen war.
»Sie öffnen das Tor, Prinzessin«, berichtete Saan. Sie riss das Fernrohr hoch und sah, wie sich das riesige Tor weit öffnete.
»Warum verbarrikadieren sie es nicht?« Es sah aus, als müssten sie den gigantischen Rammbock am vorderen Turm nicht einsetzen. Wussten die Wilden denn nicht, wie man eine Stadt verteidigt? Dann erspähte sie die Horde Krieger, die durch das Tor strömten. Die Barbaren griffen an. Reihenweise kamen sie heraus: schwarze Schilde und lange Bronzespeere.
»Die Shasinn«, flüsterte Shazad mit heiserer Stimme. »Dafür hat er sie aufgespart.«
Am Kai war ein brutales Handgemenge ausgebrochen. Waffen prallten aufeinander, Metall klirrte und Holz splitterte. Geschosse schlugen gegen Schilde aus Fell, Holz und Bast. Und über allem lag das Geschrei menschlicher Stimmen: Sie kreischten, jubelten, sangen, stöhnten. Männer stürzten von der Mauer ins Wasser. Andere stolperten über ihre Kameraden und sanken zu Boden.
Über ihren Köpfen bemühten sich die Sturmtruppen, die Mauern zu erobern, aber sie hatten keinen Erfolg. Gasam hatte eine breite Plattform an der Stelle errichten lassen, wo die Laufplanken voraussichtlich niedergehen würden. Und dort hatten sich die Shasinn versammelt. Statt weniger Soldaten, die einen schmalen Gang zu halten versuchten, sahen sich die Eindringlinge einer kleinen Armee gegenüber. Schon bald hatten sich die Shasinn den Zugang zu den oberen Laufstegen erkämpft, wo eine erbitterte Schlacht tobte. Männer fielen seitlich herab und stürzten auf ihre Kameraden, die am Kai standen. Die Shasinn in der zweiten Reihe hoben die Schilde und bildeten ein Dach, um sich vor den Pfeilen zu schützen, die vom Heckturm des Schiffes niederregneten.
Innerhalb
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