Schwarze Themse
Beweis dafür, dass dieses Elfenbein wirklich existierte? Er hatte nur Louvains Wort. Vielleicht hatte er es längst woanders an Land gebracht und verkauft und Monk nur angeheuert, um den Londoner Käufer hinters Licht zu führen?
»Hier ist er«, riss eine schwache, hohe Stimme ihn aus seinen Gedanken.
Er schaute auf und sah ein Mädchen von acht oder neun Jahren, das Haar mit einem Stück Kordel zusammengebunden, das Gesicht schmuddelig. Die Röcke hingen ihr bis auf
die Stiefel. Aber die Tatsache, dass sie überhaupt Stiefel besaÃ, war ungewöhnlich für die Gegend. Das musste Madge sein.
Hinter ihr stand ein Mann um die DreiÃig mit glattem, schwarzem Haar, das ihm fast bis auf die Schultern reichte, und einem breiten Lächeln. Er sah erbarmungslos fröhlich aus.
»Ich bin die Krähe«, verkündete er, indem er sich des Wortes aus der Gaunersprache für Arzt â oder für den, der für einen Dieb Schmiere steht â bediente. »Waren wohl in einen Kampf verwickelt, was? Dann lassen Sie mich mal sehen. Durch den ganzen Stoff kann ich nichts ausrichten.« Er betrachtete Monks Jackett. »Eine Schande, kein schlechter Stoff. Wir müssen Sie Ihnen trotzdem ausziehen.« Er half Monk, sich der Jacke zu entledigen, und nahm sie ihm ab. Monk zuckte zusammen, als er seinen verletzten Arm bewegte. Madge drehte sich um und lief davon, um ein paar Sekunden später mit einer Flasche Brandy wieder aufzutauchen, die sie fest in den Armen hielt wie eine Puppe.
Die »Krähe« bewies einiges Geschick. Der Mann zog den Stoff des Hemds von der Wunde weg und verzog das Gesicht, als er einen Blick darauf warf.
Monk versuchte, nicht darüber nachzudenken, welche Ausbildung der Mann wohl hatte oder wie hoch seine Rechnung ausfallen mochte. Vielleicht wäre es klüger gewesen, einen Hansom in die Portpool Lane zu nehmen, trotz der Zeit und der damit verbunden Ausgaben. Am Ende wäre es sicherer gewesen und hätte vielleicht auch nicht mehr gekostet. Aber jetzt war es zu spät. Der Mann griff bereits nach dem Brandy und einem Stück Stoff, um das Blut abzuwaschen.
Der Alkohol brannte so schmerzlich in der Wunde, dass Monk sich auf die Lippen biss, um nicht aufzuschreien.
»Tut mir Leid«, murmelte der Arzt mit einem breiten Lächeln, das beruhigend wirken sollte. »Hätte noch schlimmer kommen können.« Er sah sich die immer noch heftig blutende Wunde genauer an. »Was haben Sie denn, was es wert ist, sich
auf so einen Kampf einzulassen, hä?« Sein Geplauder diente einzig dazu, Monk von den Schmerzen und wahrscheinlich auch von dem Blut abzulenken.
Monk dachte an Callandras Uhr und war froh, dass er sie wieder in die oberste Schublade der hohen Kommode im Schlafzimmer gelegt hatte. Er erwiderte das Lächeln des Arztes, obwohl ihm nicht nach Lächeln zumute war und er im Grunde nur die Zähne entblöÃte. »Nichts«, antwortete er. »Ich habe ihn geärgert.«
Der Arzt schaute auf und begegnete seinem Blick, Neugier sprach aus seinem Gesicht. »Das sollten Sie sich zur Gewohnheit machen. Ich könnte mir meinen Lebensunterhalt mit Ihnen verdienen, keinen Zweifel. Natürlich nur, wenn Sie mir nicht wegsterben. Machen Sie bloà niemanden so wütend, dass er Ihnen beim nächsten Mal die Kehle durchschneidet.« Er drückte, während er sprach, fest auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen. »Halten Sie das mit der anderen Hand hier drauf.« Er zeigte auf das Stück Stoff, das er auf die Wunde gelegt hatte. »Gut festhalten.« Aus der Tasche zog er eine dünne Nadel mit einem Katgutfaden. Dann wusch er beides in dem Brandy und sagte Monk, er solle den Tupfer wegnehmen. Schnell und geschickt nähte er die Wunde, erst innen und dann die Haut obendrüber. Zufrieden betrachtete er das Ergebnis, bevor er einen Verband darum wickelte und die Enden verknotete. »Den müssen Sie ab morgen jeden Tag wechseln lassen, bis es verheilt ist«, sagte er. »Aber es wird schon heilen.«
»Meine Frau kann das machen«, antwortete Monk, der inzwischen ein wenig fröstelte. »Vielen Dank.«
»Sie wird doch nicht in Ohnmacht fallen, wenn sie Blut sieht?«
»Sie war als Krankenschwester auf der Krim«, antwortete Monk mächtig stolz. »Im Notfall könnte sie sogar ein Bein amputieren.«
»Heiliger Strohsack! Aber nicht mein verdammtes Bein!«,
sagte der
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