Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
eilte zu einem der Nachbarräume.
Während der Kerl telefonierte, zerrte Lukas an den Plastikriemen. Keine Chance. Stöhnend erhob er sich und fasste die magische Springwurzel ins Auge. Mit dem Rücken trat er an den Tisch heran und berührte sie. Es knisterte, und mit einem platzenden Geräusch riss die Fessel auseinander. Rasch packte er seine Habseligkeiten ein und schlüpfte zur Tür. Doch dort waren bereits wieder die Schritte des Sachsen zu hören.
Lukas tat das Einzige, was ihm in seiner Notlage einfiel. Er griff nach dem dampfenden Kaffeebecher, wartete, bis der Mann den Raum betrat, und schleuderte ihm die heiße Flüssigkeit ins Gesicht. Schreiend taumelte der Mann nach hinten, schlug mit dem Kopf unglücklich gegen den Türrahmen und ging bewusstlos zu Boden.
Rasch durchsuchte Lukas ihn, fand ein paar identische Riemen wie jene, derer er sich gerade erst entledigt hatte, fesselte den Sachsen und band ihn zusätzlich an einem der Tische fest. Als er dabei abermals die Geldbörse des Mannes ertastete, grinste er, zog sie hervor und steckte sie ungeöffnet ein. »Vielleicht sind es ja jetzt tausend Euro, du Pappnase.« Dann öffnete er den Spind, nahm einen zweiten Schlagstock an sich, hetzte zur Korridortür – und stolperte in eine bizarre Szenerie. Vor ihm standen drei regungslose Touristen, die mitten in der Unterhaltung eingefroren zu sein schienen. Nicht weit entfernt stand auch der dicke Sachse wie die Wachsfigur seiner selbst und mit einem Fuß in der Luft auf einer der Treppenstufen. Da Mephisto davon gesprochen hatte, die Besucher schlafen zu legen, musste das hier das Werk von John Dee sein!
Lukas hoffte, nicht selbst in den seltsamen Bann zu geraten, und schlich die Treppe nach oben. Schon hörte er Kampfgeräusche und sah aus dem Augenwinkel eine huschende Bewegung. Was war das? Zu gern hätte er jetzt seine doppelläufige Muskete dabeigehabt, doch die lag in der Limousine.
Mit erhobenem Schlagstock erreichte er den Zugang zum Neuen Grünen Gewölbe, aus dem ihm rot-schwarzes Flackerlicht entgegenwaberte. Glas klirrte, und er konnte die Kampfschreie einer Frau hören: Mille!
Lukas rannte in den Vorraum, über dessen Boden gelbe Schwefelschwaden strichen. Zwischen den Vitrinen lagen besinnungslose Touristen. Inmitten von ihnen kämpften Millepertia und der Sukkubus. Erstere hatte ihre Hartheugestalt angenommen, die Dämonin hingegen ihre schwarze Alptraumgestalt mit den hässlichen Altweiberhaaren. Kreischend schlugen die beiden aufeinander ein. Lukas stürzte sich von hinten auf den Sukkubus und zog der Kreatur den Prügel über den Kopf. Er hätte auch auf einen Stein einschlagen können, denn der Effekt war gleich null.
»Schön, dich wiederzusehen, Schätzchen!«, zischte das, was einmal Sylvia gewesen war. »Ich kümmere mich gleich um dich.« Ohne von Millepertia abzulassen, und ganz so, als wäre er bloß ein lästiges Insekt, schmetterte sie ihn mit ihrem langen Echsenschwanz gegen eine Vitrine.
Lukas ging röchelnd zu Boden und entdeckte aus den Augenwinkeln Abraham, der noch immer mit zitternden Lidern im Korridor zum Watzdorf-Kabinett stand und all seine Kraft dazu einsetzte, die Alarmanlagen außer Gefecht zu setzen.
Die Schatzvitrine indes stand einladend offen; die wertvolle Hutnadel mit dem Grünen Dresden lag herrenlos am Boden. John Dees Augen fixierten sie gierig, nur kam der Engländer nicht an sie heran. Denn zwischen ihm und ihr hatte sich Mephisto aufgebaut.
Dee brüllte lateinische Bannformeln und warf dabei immerzu Asche in die Luft, die sich zu glühenden Pentagrammen formte.
Mephisto löste sich zweimal mit lautem Knall auf, nur um Augenblicke später an genau derselben Stelle wieder zu erscheinen. »Verschwinde endlich, Satan«, keifte der Magier. »Du hast ausgedient!«
»Wie lange glaubst du, damit fortfahren zu können, John?«, sagte Mephisto halb drohend, halb gelangweilt. »Merkst du nicht, dass ich gegen deinen lausigen Bannzauber gewappnet bin?«
Lukas ahnte, wovon er sprach. Denn sein Blutpakt hatte schließlich Anteil daran, Mephisto im Diesseits zu halten.
Abermals wühlte Dee in seinen Taschen, hielt dann jedoch bestürzt inne. Offenbar hatte er seine Zaubermittel aufgebraucht.
Mephistos Hundeaugen glühten diabolisch auf, und er beschrieb eine wischende Bewegung mit der Pfote. Der Engländer wurde von einer unsichtbaren Kraft gepackt, wirbelte einmal um die eigene Achse und schlug schwer neben einer Vitrine im Vorraum auf.
»Und jetzt zu
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