Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
ihnen entgegen, unvermittelt öffnete sich der Wald, und sie erreichten den Rand einer großen Lichtung, auf der sich eine gewaltige Schutthalde türmte. Sie bestand aus einer Vielzahl von kleinen und großen Felsen, die sich unmittelbar unter einem mächtigen Felsmassiv erstreckten. Viele der Gesteinsbrocken waren lediglich kopfgroß, der größte der Kolosse erreichte hingegen die Ausmaße eines VW -Busses. Über ihnen, am Berghang, ragte eine massive Steilwand gute zwanzig oder dreißig Meter auf. Die gewaltige Mauer reflektierte das Licht der Fackeln, die ringförmig um die Schutthalde verteilt waren und in deren Flackerlicht ein gutes Dutzend Hexen rätselhaften Beschäftigungen nachgingen. Vier von ihnen sausten auf Stecken und Besen über den Nachthimmel und kreischten Anweisungen in die Tiefe, die Lukas nicht genau verstehen konnte.
Abraham verlangte, heruntergelassen zu werden.
Plötzlich gellte ein aufgeregter Ruf durch die Nacht: »Der dunkle Fürst ist eingetroffen!«
Unter begeistertem Kreischen sammelten sich die Hexen vor und über ihnen, um Mephistopheles in seiner schwarzen Pudelgestalt zu begrüßen. Der stand längst auf einem hohen Fels und blickte den Hexen majestätisch entgegen. Eine von ihnen landete mit ihrem Besen, dann warf sie sich unterwürfig vor ihm in den Dreck. »Oh, schwarzer Meister!«
»Ach du Scheiße«, stöhnte Ben. Das lüsterne Dauergrinsen, das den ganzen Aufstieg über in sein Gesicht gemeißelt gewesen zu sein schien, erstarb. Ebenso wie das der anderen Devils, denn bei der Hexe handelte es sich um eine fast zahnlose Greisin mit schlohweißem Haar und dicken, behaarten Warzen auf der Wange, deren Kleider nur noch aus Flicken zu bestehen schienen. Auch die übrigen Hexen, die sie neugierig umringten, schienen mehr Jahrhunderte auf den mehr als sprichwörtlichen Buckeln zu haben, als gut für sie und ihre Bindehaut gewesen wäre. Es gab Vogelscheuchen mit faltigen Gesichtern, aus denen spitze Hakennasen ragten, und gebückt gehende alte Weiber mit runzligen Wangen, die ihr lichtes Haar mühsam unter Kopftüchern zu verbergen suchten. Nur zwei von ihnen besaßen überhaupt noch alle Zähne, und je mehr von ihnen zusammenströmten, desto unangenehmer wurde der Schweißgeruch, der sie umgab. Lüstern stierten sie Lukas und die Devils an, die unisono ihre Kaugummis ausspien und nach einem Fluchtweg Ausschau zu halten schienen.
»Darf ich vorstellen!«, dröhnte Mephistos Stimme vom Felsen herab. »Die Getreuesten meiner Getreuen.«
Die Hexen kicherten geschmeichelt, und eine von ihnen trällerte Ben vulgär mit ihrer Zunge entgegen. »Wir sind gekommen, so wie Ihr es verlangt habt, Meister!«, rief sie mit keckernder Stimme. »Und wie ich sehe, habt ihr zu unserer Belohnung ein paar gestandene Mannsbilder mitgebracht.«
Mephisto grinste. Er schritt nicht ein, als die Hexe vortrat und Ben geifernd in den Schritt griff. »Dreihundert Jahre Erfahrung, Süßer. Ich melk dich ab wie einen Esel.«
Angewidert schlug der Teufelsgeiger ihre Hand beiseite. »Vergiss es! Wir sind lediglich hier, um Musik zu machen.«
»In der Tat, meine bezaubernden Täubchen«, feixte der Teufel. »Zunächst benötigen wir die Manneskraft unserer Freunde, um zu tun, warum wir uns hier versammelt haben.«
»Und was ist mit der da?« Eine der Hexen trat empört vor und deutete mit ihren knotigen Fingern auf Millepertia. »Ich kenne dich, du Schlampe!«, giftete sie. »Du bist eine Abtrünnige. Wo warst du in all den Jahren? Und womit, zur Hölle, hast du dein jugendliches Aussehen bewahrt?«
Auch die übrigen Hexen stierten nun Millepertia an, und Lukas sah, wie sich kaum verhohlene Gier in die Züge der alten Frauen schlich.
»Ich glaube nicht, dass dich das irgendetwas angeht«, gab Millepertia kühl zurück.
»Es ist dein Blut, richtig? Ich kann es riechen.« Gemeinsam mit zwei anderen Hexen trat die Alte vor. Eine jede von ihnen hielt plötzlich ein scharfes Messer oder eine Sichel in Händen.
Millepertia war kurz davor, sich in die Handfläche zu beißen, und auch Lukas fasste nach einer der Irrwurzeln, als eine der Hexen wie vom Schlag getroffen zurücktaumelte.
»Nur eine dumme Bewegung, und das war die letzte Tat in eurem verkorksten Leben«, sagte Abraham kalt. Er trat in seiner Homunkulusgestalt zwischen den Beinen des Drummers hervor und hielt die schwirrende Armillarsphäre wie einen Morgenstern erhoben.
»Ein Zauberer!«, keifte eine der Hexen entsetzt. Keine von ihnen wagte es
Weitere Kostenlose Bücher