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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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einen dampfenden Becher mit Tee und einen großen Teller mit belegten Broten ausmachen konnte. Sein Magen knurrte bei dem Anblick, und ihm lief das Wasser im Munde zusammen. Er dachte an den lieblosen Kanten Brot, den sie ihm einst gebracht hatte, und kurz lag ihm ein diesbezüglicher kesser Spruch auf den Lippen, doch dann schluckte er ihn hinunter. »Danke«, sagte er.
    Millepertia stellte das Tablett auf dem Bett ab. »Ich habe all meine Hexenkunst aufwenden müssen, um deinen Blutverlust auszugleichen. Der Besen hat dich ausgesaugt wie ein Vampir. Ganz zu schweigen von deinen übrigen Verletzungen. Anders gesagt: Das war knapp.«
    Lukas, der noch immer die Schachtel in Händen hielt, wandte seinen Blick endlich von ihrer schlanken Gestalt ab und sah nun selbst, dass seine Arme und Beine von Prellwunden und Ergüssen überzogen waren. Immerhin hielten die Schmerzen sich in Grenzen. »Dank deines Eisenkrautbeutels habe ich von all den Schindereien kaum etwas gespürt.«
    »Na ja, manchmal hat es eben auch sein Gutes, eine Hexe zu sein.« Sie deutete auf seine Boxershorts. »Willst du hier noch länger halb bekleidet herumstehen? Abraham erwartet dich bereits.«
    »Er hat es also ebenfalls geschafft? Mann, was bin ich froh!« Erleichtert suchte er einen Platz für den Karton, doch Millepertia nahm ihm den Kasten ab und stellte ihn kurzerhand in den Schrank. »Jetzt, wo du weißt, dass es echte Zauberei gibt, brauchst du das hier sicher nicht mehr.«
    »Das denkst auch nur du.« Lukas zog sich an, während er weitersprach. »Die Zauberkunst, also das, was wir Normalos darunter verstehen, ist keine einfache Freizeitbeschäftigung. Sie ist eine Lebenseinstellung. Seine Seele an den Teufel verkaufen kann schließlich jeder. Doch jemandem die Sinne zu täuschen und ihm etwas vorzugaukeln, das gar nicht existiert, ist wahre Kunst.« Er zwinkerte ihr zu und musste lachen. Da war er wieder, ihr skeptischer Gesichtsausdruck. »Wusstest du«, fragte er, während er sich die Schuhe zuband, »dass die alten Illusionisten ganz ohne himmlische oder teuflische Kräfte ein Brathähnchen wiederbeleben konnten?«
    »Du veralberst mich.«
    »Glaub mir, das war damals einer der besten Tricks, um die Hofgesellschaften zu unterhalten.«
    »Und wie ging das?«
    »Na ja, aufführen kann man dieses Zauberkunststück heutzutage nicht mehr. Zumindest nicht, ohne es mit dem Tierschutz zu tun zu bekommen. Sie haben damals nämlich ein Huhn genommen, ihm Schlafmohn zum Fressen gegeben, es gerupft und dann mit Eigelb eingeschmiert. Anschließend haben sie es gerade so lange in den Ofen geschoben, bis es knusprig aussah, und es dann hübsch auf einem Silbertablett serviert. Der Zauberer brauchte bloß noch ›Hokuspokus‹ zu sagen und das Tier mit einer Gabel zu piken – und schon lief es gackernd davon.«
    Millepertia sah ihn entsetzt an, dann lachte sie plötzlich. Schockiert schlug sie sich die Hand vor den Mund. »Das denkst du dir aus. Das haben sie nicht wirklich gemacht?«
    »Doch.« Lukas biss in eines der Brote. »Du solltest am besten wissen, dass die Zeiten früher derber waren als heute. Übrigens war das eben auch bloß ein Trick«, meinte er nach einem Schluck Tee.
    »Und was für einer?«
    »Na, dich mal zum Lachen zu bringen.« Er grinste.
    Millepertia lächelte flüchtig. Eine Weile standen sie einander so gegenüber, schließlich räusperte sie sich. »Mir ist heute nicht nach Lachen zumute. Abraham brennt darauf, dich zu sehen. Beeil dich besser.« Eine Spur zu hastig verließ sie das Zimmer, und Lukas sah ihr stirnrunzelnd nach. Eilig verschlang er die restlichen Brote, trank den Tee aus und folgte ihr nach draußen.
    Der Anblick, der sich ihm dort bot, war niederschmetternd. Die Galerie über dem großen Turmzimmer sah noch immer aus, als sei ein Sturm über sie hinweggefegt. Steine, Bücher und Pergamentrollen lagen überall herum; nur wenige von ihnen waren wieder in die Regale zurückgelegt worden. Im Hauptraum des Turmes sah es nicht besser aus. Allzu deutlich hatte auch hier die Wilde Jagd ihre Spuren hinterlassen. Die Regale waren zwar wieder aufgerichtet worden, doch hatten Abraham und Millepertia bislang nicht viel Mühe darauf verwendet, aufzuräumen. Gemmen, Wünschelruten, Sand, Bücher und Gesteinsproben lagen heillos durcheinander. Rechts der Treppe waren verkohlte Buchfragmente, Glasscherben und Asche zu einem großen Haufen zusammengekehrt worden; an der Wand dahinter lehnten die beiden Hexenbesen. Auch die

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