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Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Schwarze Tränen: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Tränen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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sind.«
    »Und was, wenn er inzwischen längst weiß, wo wir uns aufhalten?«, wollte Millepertia wissen. Abraham schnaubte abfällig. »Das ändert nichts an meiner Feststellung. Und wenn
er
wirklich schwächer geworden ist, dürfte es auch
ihn
Kraft kosten, meine magischen Schutzmaßnahmen zu durchdringen. Glaubt mir,
er
wird uns früh genug wieder heimsuchen. Nutzen wir die Zeit. Im Zweifel ist es durchaus von Vorteil, wenn wir einen Informationsvorsprung besitzen, von dem zur Abwechslung niemand anderes weiß.«
    Lukas zog sich einen Stuhl mit abgebrochener Lehne heran. »Also gut. Arnold von Wied hat mehrere lateinische Worte auf den Fels gemalt, mit denen ich leider nichts anzufangen weiß. Wobei, na ja, ich glaube, bei dem zweiten Hinweis handelte es sich um einen Begriff aus mehreren Worten. Allerdings befürchte ich, dass von Wied ihn mir nicht vollständig übermitteln konnte, da Faust auftauchte, bevor er fertig war.«
    »Eines nach dem anderen. Beginnt mit dem ersten Begriff«, forderte ihn Abraham auf.
    »Der lautete
Orphanus.
«
    Abrahams eulenförmige Augen weiteten sich vor Überraschung.
    »Und außer Euch hat niemand etwas davon mitbekommen?«
    Lukas überlegte. »Kann ich nicht genau sagen. Mephisto hat mir vermutlich nicht ohne Grund zwei Hexen zur Bewachung zugeteilt. Die eine wurde von einem Werwolf getötet. Was mit der anderen geschehen ist, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, wie viel diese Hexen von alledem überhaupt mitbekommen haben.« Lukas wechselte einen raschen Blick mit Millepertia. »Euch sagt das Wort also etwas?«
    »Allerdings.« Der Homunkulus rieb sich das kleine Kinn. »Orphanus ist die lateinische Übersetzung für den
Waisen.
Das war der berühmteste Diamant des Mittelalters. Kein Stein vor oder nach ihm soll ihm an Pracht gleichgekommen sein. Der Zauberer Albertus Magnus beschrieb ihn in seinen Schriften als einen Diamanten von blassrosa Farbe.«
    »Dieser Adamant war also berühmt?«, fragte Millepertia.
    »Oh ja.« Abraham nickte. »Selbst Dichter wie Walther von der Vogelweide haben ihn besungen. Der Waise war Teil der Reichskrone und gehörte damit zu dem bedeutendsten Prunkstück der Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches. Mit dieser Krone wurden Könige und Kaiser seit dem Hochmittelalter gekrönt.«
    »Und wo ist die Krone jetzt?«, wollte Lukas wissen.
    Abraham zählte mit den winzigen Fingern ab. »Zusammen mit dem Reichskreuz, dem Reichsschwert, dem Zepter, dem Reichsapfel und der angeblich heiligen Lanze liegt sie heutzutage in der Wiener Schatzkammer der Hofburg. Nur interessiert uns der ganze Plunder nicht. Denn der Waise gilt spätestens seit Mitte des vierzehnten Jahrhunderts als verschollen. Zumindest schweigen sich die Chronisten über ihn aus, ganz so, als wäre er gestohlen oder – noch peinlicher – gegen eine Fälschung ausgetauscht worden, die dann als solche entlarvt wurde.«
    Lukas schürzte missmutig die Lippen. »Und was jetzt?«
    »Die Lösung könnte in dem anderen Hinweis stecken.« Der Zauberer sah ihn fragend an.
    Lukas seufzte.
»Castrum etiam Cu.«
Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Wie gesagt, das letzte Wort scheint unvollständig zu sein. Aber wenn mich meine Asterix-Kenntnisse nicht trügen, ist
castrum
wohl der Hinweis auf eine Burg.«
    »Ja, in der Tat!« Abraham schlug grübelnd die kleinen Ärmchen übereinander. »Ohne Zweifel wusste der Erzbischof um den Verbleib des Orphanus oder des Waisen. Nur frage ich mich, welche Burg er gemeint haben könnte.« Murmelnd wiederholte er den Begriff, als käme er ihm irgendwie bekannt vor.
    »Vielleicht eine Burg in der Nähe von Köln?«, schlug Millepertia vor. »Arnold von Wied war doch Erzbischof von Köln?«
    Abraham nickte. »War er auch. Nur existieren in der Region viele Burgen. So kommen wir nicht weiter. Ich habe eine andere Idee. Folgt mir.« Er eilte mit Trippelschritten hinüber zu einem Bücherregal ganz am Rande des Turmzimmers. Die dortigen Regalreihen waren mit Dutzenden dicker Schwarten ausgefüllt, deren wellig-braune Ledereinbände sich kaum voneinander unterschieden. »Mille, sei so gut und reich mir den dritten Band rechts, aus der zweiten Regalreihe von oben.«
    Die Hexe kam der Aufforderung nach und legte das Buch auf den Boden. Der Homunkulus stemmte den Buchdeckel empor, und Lukas konnte seitenweise lateinische Aufzeichnungen erkennen.
    »Die Bände behandeln die Kirchengeschichte«, erklärte der alte Jude. »Ich habe schon früh

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