Schwarze Tränen: Roman (German Edition)
Geburtsrecht zusteht. Du wirst dich nie verändern.«
Lukas saß schockiert da und dachte über das Gehörte nach. »Und doch bin ich ein Mensch«, sagte er trotzig. »Wir Menschen verfügen über einen freien Willen. Ich muss nicht so werden wie mein Ahne.«
»Ach, komm. Lieber eine gesunde Verdorbenheit als eine verdorbene Gesundheit. He, he.«
Lukas war alles andere als nach Späßen zumute. »Wenn ich mir vor Augen führe, was Doktor Faust angerichtet hat, kann das doch wohl ebenfalls nicht in deinem Sinne sein.«
»Na ja, Fausts Plan zeugt von beeindruckender Raffinesse. Etwas Vergleichbares wie er hat bislang niemand zuwege gebracht. Das nicht zuzugeben, wäre mehr als kleinlich.« Der Pudel schniefte. »Bedauerlicherweise muss ich dem Ganzen dennoch schleunigst einen Riegel vorschieben.«
»Trotzdem lasse ich mich nicht von dir erpressen.« Lukas lehnte sich demonstrativ zurück. »Wenn dieser Höllenpakt tatsächlich notwendig ist, um zurückzukehren, werden wir hier eben verschimmeln. Ich gehe ihn nicht ein. Und solange ich hier bin, nützt es unseren Gegnern auch nichts, meine Mutter zu entführen.« Der Bluff kam mit einer derartigen Selbstverständlichkeit über seine Lippen, dass er Angst vor sich selbst bekam. In Wahrheit war er vor Sorge ganz krank. »Soll doch Abaddon über die Hölle herrschen.«
Mephisto knurrte verärgert. »Na gut, da gibt es vielleicht doch noch eine weitere Möglichkeit.«
Lukas grinste breit und spürte, wie er langsam Oberwasser bekam. Ein gutes Gefühl. »Wusste ich es doch. Du brauchst mich mehr als ich dich!«
»Nicht so voreilig!« Mephisto präsentierte ein perfektes Pokerface, und Lukas kamen Zweifel. Hatte er etwas übersehen? Der Pudel streckte sich ausgiebig und sah dann zu ihm auf. »Eines hast du nicht bedacht, Famulus. Was glaubst du, was dein Leben ohne mich wert ist? Richtig: keinen Pfifferling. Wenn sich Faust tatsächlich deines Körpers bedienen will, werden seine Häscher nichts unversucht lassen, um dich aufzuspüren. Und es wird ihnen zweifelsohne gelingen.«
»Aber warum?« Lukas’ Verzweiflung kehrte mit voller Wucht zurück. »Die Rebellion in der Hölle wurde doch schon entfacht. Mit Dee und jetzt vermutlich auch mit von Nettesheim verfügt Abaddon gleich über zwei willfährige Diener, die alles tun würden, um mit seiner Hilfe den Höllenpakt aufzuheben. Wieso sollte ich auch nur für einen von denen interessant sein?«
»Die Dummheit hast du unmöglich von mir, sondern von deiner Urahnin«, stellte Mephisto fest. »Also noch mal für einfachere Gemüter: Faust will zurück in die Welt der Sterblichen. Das immerhin hast du schon von allein begriffen. Dazu braucht seine Seele aber einen geeigneten Körper. Ein dahergelaufener Zauberer reicht ihm nicht, er will das Luxusmodel – dich. Und was Abaddon betrifft: Faust wird nicht so verrückt gewesen sein, Abaddon oder wem auch immer all sein Wissen zu offenbaren. Dann bräuchte ihn nämlich niemand mehr. Jetzt bist du wieder an der Reihe, Famulus. Was folgerst du daraus?«
»Dass da noch mehr kommt?«, antwortete Lukas vorsichtig. »Dass Fausts Plan nicht nur die Hölle, sondern auch irgendetwas auf der Erde betrifft, zum Beispiel?«
»Eben.« Mephistopheles nickte gönnerhaft. »Ich bin der festen Überzeugung, dass hinter alledem noch viel mehr steckt. Ein Plan, den du in seiner Gänze noch gar nicht überblicken kannst und der selbst mich überraschen könnte.«
»Du hast also keine Idee, was Faust plant?«
Mephisto zwinkerte ihm zu. »An Ideen mangelt es mir nie, und Rätsel löse ich mit Bravour. Ich werde es herausfinden. Und damit die Reise etwas kurzweiliger wird, wirst du mich begleiten.« Der Pudel leckte sich über die Schnauze. »Wir beginnen bei Arnold von Wied, dem Verfasser dieser Schrift aus der Bibliothek, von der du erzählt hast. Er war im zwölften Jahrhundert Erzbischof von Köln. Ich erinnere mich an ihn, weil er ein besonders sturer, uneinsichtiger Bock war.«
»Du hast wohl erfolglos versucht, ihn umzudrehen?«
»Ach was. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man«, knurrte Mephisto. »So läuft das eben im Seelengeschäft. Viel interessanter ist, dass der Bischof deinem Bericht gemäß einst den Schwarzalbenkönig aufgesucht hat. Was ihn dazu bewogen hat, weiß ich nicht, aber wenn er das konnte, können wir das auch.«
»Den
Schwarzalbenkönig?
« Lukas sah den Pudel verständnislos an. Andererseits kam ihm der Begriff bekannt vor. Richtig,
rex albae
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