Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
und stieß einen langen Seufzer aus. Es ging mir gegen den Strich, aber er hatte recht. Wenn Leute ein gewisses Maß an Verzweiflung erreicht haben, begehen sie Dummheiten. Entsetzliche Dummheiten. Wir waren die einzige Animatorfirma im mittleren Westen. Es gab noch eine in New Orleans und eine in Kalifornien, aber die würden den Auftrag aus demselben Grund ablehnen wie wir. Wegen des neuen Gesetzes. Und um den Klienten Qualen zu ersparen, könnte ich sagen, aber ganz ehrlich: der Gedanke, ein Mordopfer zu erwecken und nur durch eine simple Frage erfahren zu können, wer der Mörder war, war so verlockend, dass es mehrere von uns versucht hatten. Dass es nicht funktionierte, schrieben wir damals noch der Traumatisierung des Opfers zu oder glaubten, die Macht des jeweiligen Kollegen hätte nicht ausgereicht. Aber das war nicht der Grund. Ein Ermordeter, der aus dem Grab steigt, hat nur einen einzigen Gedanken in seinem toten Hirn: Rache. Bis er die bekommen hat, hört er auf keinen Befehl, nicht mal auf den Animator oder Voodoopriester, der ihn aus dem Grab geholt hat.
Aber wenn die seriösen Kollegen den Auftrag ablehnten, fand sich sicher ein unseriöser, der ihn annehmen würde. Es gab im ganzen Land Leute, die zwar die Begabung, aber nicht das Verantwortungsbewusstsein hatten. Von denen arbeitete keiner bei einer Animatorfirma, weil sie entweder entlassen oder gar nicht erst eingestellt worden waren. Die meisten wollten auch gar nicht für eine Firma arbeiten, weil sie geheime Dinge taten, von denen die Behörden nichts wissen sollten. Sie hielten sich bedeckt und machten keine Werbung für sich, aber wenn man mit zwanzig Riesen wedelte, krochen sie aus ihren Löchern. Die Browns würden einen Willigen finden, wenn sie das entsprechende Geld ausgeben konnten. Jemanden, der sich mit falschem Namen vorstellte, den Jungen aus dem Grab weckte und mit ihrem Geld abhaute. Danach würden sie mit der Bescherung dastehen und der Polizei allerhand erklären müssen. In Neuengland wurde gerade ein Präzedenzfall am Obersten Gerichtshof verhandelt, bei dem die Todesstrafe für den Angeklagten gefordert wurde, der einen Magiepraktiker beauftragt hatte, jemanden mittels Magie umzubringen. Ich wusste nicht, wie es laufen würde, und es würde wahrscheinlich noch bis zum Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten gehen. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn die Browns einen unseriösen Kollegen engagierten und in der Todeszelle landeten. Ich meine, das wäre doch das Letzte, besonders da ich es hier und jetzt verhindern könnte.
Ich bedachte Bert mit dem Blick, den er verdiente. Der ihm sagte, dass er ein gieriger Hundesohn war und dass ich wusste, er hatte das Geld nicht aus humanitären Gründen zurückgewiesen. Er lehnte sich bloß zurück und lächelte mich an, weil ihm klar war, was dieser Blick sonst noch bedeutete. Er bedeutete, dass ich es tun würde, obwohl ich es hasste.
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M rs Barbara Brown war blond, und Mr Steven Brown hatte braune Haare und graue Schläfen. Er war zwölf Zentimeter größer als sie, aber davon abgesehen passten sie bestens zusammen. Das hübsche Cheerleadergesicht, das sie auf der Highschool gehabt hatte, war noch zu erkennen, und der gut aussehende Footballspieler steckte noch in den Schultern und den kantigen Gesichtszügen, aber das hinzugewonnene Körpergewicht, die verstrichenen Jahre und die Trauer überdeckten, was sie mal gewesen waren. Ihre Augen strahlten, aber es war ein unnatürliches Strahlen, aus stünden sie unter Strom. Sie redete zu schnell und er zu langsam, als müsste er über jedes Wort nachdenken. Sie sprach so zwanghaft von ihrem Sohn, als würde sie andernfalls platzen oder zusammenbrechen.
»Er war ein Überflieger, Ms Blake. Hier sehen Sie das letzte Bild, das er gemalt hat, seine jüngste Schwester in Aquarell. Er war so talentiert.« Sie hielt das Bild hoch, das sie in einer Mappe mitgebracht hatte, wie Kunststudenten sie mit sich herumtragen.
Ich schaute pflichtschuldig hin. Es war ein sehr weiches Bild, lauter wässriges Blau und zartes Gelb, und die Locken des Mädchens waren fast weiß. Es lachte, und der Sohn hatte einen Glanz in die Augen gebracht, für den man sonst eine Kamera braucht. Es war gut. Für einen Highschoolschüler im dritten Jahr sogar spektakulär.
»Ein wunderbares Bild, Mrs Brown.«
»Steve wollte ja nicht, dass ich es mitbringe. Er meint, es ist nicht nötig, dass Sie es sehen. Aber ich dachte, wenn Sie sehen, was für ein Mensch er
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