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Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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ich ihm immer gesagt habe: Er hätte sich Cathy geschnappt und wäre mit ihr in den Wald gerannt. Der Wagen stand am Waldrand. Da hätten sie sich verstecken können. Es muss jemand gewesen sein, den er kannte oder den sie kannte. Es muss jemand sein, den wir kennen, Ms Blake«, sagte sie mit neuer Überzeugung. »Unser hübscher Sohn wurde von jemandem entführt, der uns besucht, mit uns gegessen, uns Blumen mitgebracht hat. Jemand, den wir kennen, ist ein Ungeheuer, und wir haben es nicht gewusst.« Da, das war der eigentliche Horror. Nicht nur, dass ihr Sohn und seine Freundin ermordet worden waren, sondern dass der Mörder jemand sein musste, den Barbara und Steve Brown kannten.
    Wie fühlte es sich an, in die Gesichter der Freunde zu blicken und sich im Stillen zu fragen: Warst du es? Oder du? Wer von euch hat es getan?
    Ich konnte ihr nicht mal widersprechen, denn man wird mit achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit von jemandem umgebracht, den man kennt, und nicht von einem Wildfremden. Hässliche Statistik.
    »Sie sagen ›Ungeheuer‹. Tun Sie das, weil er fähig war zu morden, oder bezieht sich das darauf, wie der Mord begangen wurde?« Vielleicht war etwas Übernatürliches im Spiel gewesen. Vielleicht waren die Browns noch aus einem anderen Grund zu mir gekommen. Vielleicht könnte ich doch etwas für sie tun.
    Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und fing an zu weinen, aber nicht leise.
    Steve Brown redete über ihr Schluchzen hinweg, als sei er daran gewöhnt. »Was ihnen angetan wurde, war monströs, Ms Blake.« Er sah nicht aus wie ein Mann, der häufig ›monströs‹ sagt. Ich glaubte nicht, dass er das Wort leichtfertig wählte.
    Barbara Brown wiegte sich auf ihrem Stuhl, während sie weinte. Ihr Schluchzen war tatsächlich so laut, wie ich dachte, denn auf meinem Schreibtisch klingelte das Telefon.
    Ich zuckte zusammen, griff aber zum Hörer. Es war unsere gute Mary. »Ist alles in Ordnung?«
    »Nein.«
    »Soll ich den Kopf zur Tür reinstrecken und sagen, dass Sie zu einem Termin müssen?«
    »In fünfzehn Minuten.«
    »Oder früher, falls es lauter wird?«, fragte Mary.
    »Ja, das wäre prima.« Ich legte auf und nahm mir vor, ihr Blumen oder Pralinen oder beides zu schicken.
    Steve Brown versuchte, seine Frau zu beruhigen. Sie hatte aufgehört zu schaukeln und lehnte sich gegen ihn. Ihre Schluchzer waren leiser geworden, ein bisschen. Als sie ihre blauen Augen wieder auf mich richtete, sah ich die Gewaltbereitschaft darin. Ich zweifelte, ob sie noch auf Richter und Geschworene warten würde, wenn sie herausbekäme, wer es getan hatte. Eher würde sie demjenigen etwas antun.
    Sie sprach sehr schnell, fast schoben sich die Worte ineinander. »Sie haben Cathy vergewaltigt, sie vergewaltigt, und Stevie haben sie verstümmelt, sie haben ihm …« Sie stockte, presste sich die Hände auf den Mund. Ihre Augen waren groß vor Entsetzen. In ihrem Blick war nicht mehr viel Vernunft übrig.
    Ich behielt sie im Auge, während ich ihren Mann fragte: »Sie hatten also eine Wagenpanne und wurden von einem anderen Auto mitgenommen, und dann …«
    »Man fand sie in einem Schuppen im Wald. Sie waren beide vergewaltigt worden.« Er sagte das völlig ruhig, ohne jede Betonung, als ob er nichts dabei fühlte, und vielleicht fühlte er tatsächlich nichts, jedenfalls nicht dort, wo er etwas davon merkte. Er hatte seinen Schmerz wegdrängen müssen, so weit weg wie möglich, weil Barbaras Schmerz wichtiger, verzehrender war als seiner.
    »Sie haben ihm –« Er stockte, und ich sah ihn mit seinem Gesicht ringen, um alles zusammenzuhalten, dann fing er sich wieder. »Sie haben ihn kastriert.« Ein Lid flatterte. »Als er noch am Leben war.« Seine Stimme war weicher geworden.
    »Die Polizei hat es nie gefunden«, sagte Barbara und klang schrill. »Sie können es nicht finden. Diese Ungeheuer haben ihm etwas abgeschnitten, und die Polizei kann es nicht finden. Wir mussten ihn ohne begraben. Die haben es. Wir konnten es ihm nicht zurückgeben.« Sie wurde immer lauter, nicht dass sie schrie, aber sie war nicht mehr weit davon entfernt. Einem hysterischen Anfall dafür umso näher. »Cathy haben sie nichts genommen. Warum haben sie sie nicht verstümmelt? Warum gerade Stevie? Warum das? Warum haben sie gerade das genommen? Warum das?«
    Hätte ich ein Betäubungsgewehr mit Valium gehabt, hätte ich es benutzt. Aber ich hatte keins. Es war furchtbar, entsetzlich, aber ich konnte nichts für sie tun, ihnen nicht helfen.

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