Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Der Täter war ein menschliches Monster, und dafür war ich nicht der richtige Fachmann.
Schließlich reichte es mir. »Mrs Brown, Mrs Brown, Barbara!« Ich schrie sie an, aber es drang nicht zu ihr durch. Sie war weg, untergegangen in ihrer Qual, ihrem Kummer, ihrer Trauer. Ich schrie, aber es war keiner da, der mich hören konnte.
Mary öffnete die Tür und sagte etwas und musste es wiederholen, ehe ich sie verstand. »Ihr nächster Klient ist da, Anita. Sie sind schon fünfzehn Minuten über die Zeit.« Mary sah mich an, und ihre Augen waren ein bisschen größer als sonst. Sie war mal Sekretärin bei einem Strafverteidiger gewesen, hatte also schon viele trauernde und hysterische Klienten erlebt, aber entweder war dies hier eine besondere Variante oder es gefiel ihr genauso wenig wie mir.
»Ich werde in ein anderes Büro gehen, Mr Brown, und Ihnen und Ihrer Frau ein paar Minuten Zeit geben, damit sie sich beruhigen können.«
Mrs Brown stürzte auf mich zu. »Bitte, Ms Blake, bitte, bitte helfen Sie uns.« Sie griff nach meinem Jackenrevers. Dabei streifte sie den Kolben der Pistole und stutzte, aber nur für eine Sekunde. Dann knüllte sie den Jackenstoff in beide Fäuste. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte sie mich an sich gerissen, aber das tat sie nicht. Sie klammerte sich nur fest und flehte: »Bitte, Steve, zeig ihr den Scheck.«
»Barbara, sie wird uns nicht helfen.«
Sie raffte noch mehr Stoff in die Fäuste. Es war eine Damenjacke, kein Herrenjackett, und es war einfach nicht genug Stoff vorhanden für diese grobe Behandlung. Sie zog damit meine Schultern nach vorn und schränkte meine Bewegungsfreiheit ein, machte es mir unmöglich, zur Waffe zu greifen. Ich glaubte nicht, dass ich sie brauchen würde, aber es war mein Grundsatz, dass mich niemand daran hindern durfte. Das Problem war, mir fiel nichts ein, wie ich mich von Mrs Brown befreien könnte, ohne ihr wehzutun. Und das wollte ich nicht.
»Steve, zeig ihr den Scheck.« Sie war so nah, es war geradezu intim, nah genug zum Küssen, aber zu nah zum Kämpfen.
»Zeigen Sie ihn mir, Mr Brown.« Ich blieb ruhig, ließ keinen Ärger durchkommen und deutete durch nichts an, was ich dachte, nämlich: Halten Sie sie mir endlich vom Hals, verdammt! Nicht dass ich kein Mitgefühl für sie hatte, aber eine wildfremde Person war mir auf die Pelle gerückt, und das konnte ich noch nie leiden.
Mit entschuldigender Miene zog er etwas aus der Brusttasche seiner Anzugjacke. Es war ein Bankscheck, und er hielt ihn hoch, damit ich ihn deutlich sehen konnte. Er war auf hundertdreißigtausend Dollar ausgestellt, die bar ausgezahlt würden.
»Nehmen Sie den Scheck, Ms Blake. Wir schreiben ihn auf Sie aus, jetzt, sofort, in diesem Augenblick.«
Ich schüttelte den Kopf und fasste sacht ihre Hände. Ich würde sie irgendwie von mir losmachen müssen. »Ich kann Ihr Geld nicht annehmen, Mrs Brown.« Ich versuchte, ihre Finger zu lösen, aber sie griff umso fester zu. Die Falten würden nie wieder rausgehen.
»Das sind unsere gesamten Ersparnisse, aber wir könnten das Haus beleihen. Wir könnten Ihnen noch mehr geben.« Ihre Augen leuchteten direkt vor mir. Sie glänzten so unnatürlich, dass ich mich fragte, ob sie etwas eingenommen hatte, etwas Verschreibungspflichtiges. Wenn es ihr verschrieben worden war, dann war es das falsche Medikament.
Ich würde ihre Fäuste nicht lösen können, ohne ihr wehzutun, und noch war ich dazu nicht bereit. Ich tätschelte sie, versuchte es mit Freundlichkeit. »Es ist keine Frage des Geldes, Mrs Brown. Wenn ich mit einer Erweckung Ihres Sohnes herausfinden könnte, wer ihm das angetan hat, würde ich es tun. Ehrlich, ich würde es tun, aber das funktioniert leider nicht.«
Nathaniel war an der Tür. Er warf mir einen fragenden Blick zu. Mir fiel nichts ein, was er für mich hätte tun können, und darum schüttelte ich unauffällig den Kopf.
Mary musste zu Bert gegangen sein, denn der erschien hinter ihr im Türdurchgang. »Mrs Brown, Sie müssen Anita loslassen. Ich habe Ihnen schon vor der Besprechung gesagt, dass Sie nichts erreichen würden.« Er sprach sehr ruhig, beinahe beschwörend, als hätte er das schon häufiger getan. Nicht bei mir allerdings. Aber nicht jeder hat meinen Charme und meine Fähigkeit, Leute abzuschrecken. Die meisten Klienten wurden nervös beim Anblick meiner Pistole, aber nicht Barbara Brown, ihr war das völlig egal.
Sie schaute zu Bert, drehte sich aber sofort wieder zu mir herum und hielt
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