Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
und so tun konnte, als wäre ich intelligent, fragte ich: »Und worüber habt ihr euch dann gestritten?«
»Sie hat nein gesagt.« Er wich meinem Blick aus. Stattdessen starrte er in die Dunkelheit, die Hände in den Hosentaschen vergraben, was zwar das Erscheinungsbild ruinierte, aber den Händen eine Bleibe gab.
»Sie hat nein gesagt«, wiederholte ich verblüfft.
Darauf sah er mich an. »Das scheint dich zu überraschen.«
»Na ja, soweit ich weiß, versteht ihr euch doch prächtig.« Die letzte vertrauliche Unterhaltung zwischen Ronnie und mir war unter viel Gekicher vonstatten gegangen, weil sie sich hauptsächlich um Sex gedreht hatte. Wir waren beide indiskret geworden, was Frauen häufiger tun als Männer. Sie war mit Louie sexuell genauso glücklich wie ich mit Micah. Wir hatten verdammt guten Sex. Ronnie hatte deswegen angenommen, ich hätte Jean-Claude fallen lassen. Als sie begriff, dass das nicht der Fall war, nahm sie es nicht gut auf. Sie kam einfach nicht damit zurecht, dass ich mit einem Untoten zusammen war. Wie pingelig. Ich konnte darüber witzeln, doch sie blieb unverrückbar bei ihrem Standpunkt, und seitdem hatten wir kaum noch miteinander gesprochen.
»Es ist alles wunderbar, Anita. Darum ist es ja so …« Er suchte nach einem passenden Wort. »So frustrierend!«
»Ihr versteht euch also glänzend?«, fragte ich.
»Das dachte ich. Aber vielleicht habe ich mich geirrt.« Er ging zwei Schritte und kam zurück. »Nein, verflucht, ich habe mich nicht geirrt. Das waren die besten zwei Jahre meines Lebens. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als morgens neben ihr aufzuwachen. Ich möchte das jeden Tag haben. Ist das so verkehrt?«
»Nein, Louie, das ist nicht verkehrt.«
»Warum hatten wir dann gerade den größten Streit unserer Beziehung?« Er blickte mich fordernd an, als wüsste ich die Antwort und wollte sie ihm nicht verraten.
»Ich werde Ronnie morgen anrufen, falls sie mir nicht zuvorkommt. Dann rede ich mit ihr.«
»Sie sagt, sie will überhaupt nicht heiraten. Sie meint, wenn sie jemanden heiraten würde, dann mich, aber sie will es nicht. Sie will es grundsätzlich nicht.« Sein Schmerz war so deutlich zu hören, dass es mir wehtat.
»Es tut mir so leid.« Ich streckte die Hand zu einer tröstlichen Berührung aus, überlegte es mir aber anders. »Vielleicht könntet ihr einfach nur zusammenziehen?«
»Das habe ich ihr angeboten. Wir können zusammenleben, bis sie für mehr bereit ist, habe ich gesagt.« Er starrte wieder in die Dunkelheit. Vielleicht wollte er mich sein Gesicht nicht sehen lassen.
»Das hat sie auch abgelehnt?«
»Sie möchte ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben. Die gehört zu den Dingen, die ich am meisten an ihr liebe.«
»Ich weiß«, sagte ich leise und hilflos.
Er blickte mich an. »Wenn du das weißt, kannst du dann mit ihr darüber reden?«
»Ich werde versuchen, ihr klarzumachen, dass du ihr nicht die Flügel stutzen willst.«
»Ist es wirklich das? Sie hat bloß Angst, dass ich ihr die Freiheit nehme?«
»Ich weiß es nicht, Louie. Aber wenn du mich vorher gefragt hättest, hätte ich genau das gesagt.«
»Tatsächlich?« Er musterte mein Gesicht, betrachtete es forschend, als wären sämtliche Geheimnisse des Universums darin zu entdecken. Mir war lieber, wenn er in die Dunkelheit starrte, was immer das bringen konnte. Ich hatte jedenfalls keine Lösung für ihn parat.
»Ja, Louie, tatsächlich. Als ich sie zuletzt gesehen habe, war sie so glücklich wie noch nie.«
»Also habe ich mir nichts vorgemacht?«, fragte er und blickte mich weiter fordernd an.
»Nein, Louie, hast du nicht.«
»Warum sagt sie dann nein? Warum?«
Ich zuckte die Achseln und musste etwas darauf antworten, weil er mich immer noch anblickte. »Tut mir leid, ich weiß es nicht.« Das war eine armselige Antwort. Aber mehr brachte ich nicht zustande.
Er nickte ein bisschen zu schnell und wandte sich ab, um vor sich hin zu starren. Mir war klar, dass er das brauchte, trotzdem fand ich es schwer auszuhalten, dass er gerade zu sehr litt, um es mir zu zeigen. Er erinnerte mich an Dolph, der sich vorhin ebenfalls weggedreht hatte. Er und Louie verbargen beide dasselbe: Schmerz.
Schließlich drehte er sich wieder zu mir um und ließ mich sein Gesicht sehen. Er sah verletzt aus, und ich musste an mich halten, um mich nicht meinerseits abzuwenden. Mein Grundsatz war: Wenn ein anderer sich überwand, seine Gefühle zu zeigen, war es für mich das Mindeste,
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