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Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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dann? Wenn ich ihm einen neuen Platz zum Leben beschaffte, ein neues Leben?
    Das ging mir durch den Kopf, als wir den Parkplatz überquerten. Ich stellte mir vor, ihn zu jemand anderem zu schicken, damit er sich an einer anderen Schulter ausweinte. Doch noch viel mehr beschäftigte mich der Gedanke, mit Micah allein unter die Bettdecke zu kriechen, ohne dass noch jemand bei uns lag. Nathaniel hatte einen festen Platz in meinem Bett. Das wurde mir erst in dieser Sekunde richtig klar. Bisher hatte ich die Augen davor verschlossen. Wir hatten zu dritt Spaß daran, uns gegenseitig die Schatzinsel vorzulesen. Für Micah und mich war es ein nostalgischer Rückblick in die Kindheit. Für Nathaniel waren die meisten Bücher, die wir lasen, neu. Ihm hatte nie jemand vor dem Einschlafen vorgelesen. Keiner hatte ihm Bücher geliehen. Was für eine Kindheit ist das, wo es keine Bücher und kein Vorlesen gibt? Ich wusste, dass er einen älteren Bruder gehabt hatte, der gestorben war, und einen Vater, der gestorben war, und eine Mutter, die gestorben war. Wie sie gestorben waren, wusste ich nicht, nur, dass Nathaniel da noch klein gewesen war. Er sprach nicht gern darüber, und wenn er es tat, konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht mitansehen, darum drängte ich ihn nicht dazu. Ich hatte nicht das Recht dazu, denn ich war nicht seine Freundin. Auch nicht seine Geliebte. Ich war nur seine Nimir-Ra und hatte keinen Anspruch auf seine Lebensgeschichte.
    Ich stellte mir vor, ihn nicht mehr in meinem Bett zu haben, ihn vom Vorlesen auszuschließen. Dann würde er nie erfahren, was passiert, als Jim begreift, was für ein gutmütiger Schurke Long John Silver in Wirklichkeit ist. Der Gedanke, er könnte nicht dabei sein, wenn wir das Ende des Abenteuers erreichten, war schmerzlich; Magen und Herz zogen sich mir gleichzeitig zusammen.
    Nathaniel öffnete die Beifahrertür und hielt sie mir auf, denn so kurz vor der Ardeur war es nicht gut, mich ans Steuer zu lassen. Er hielt mir die Tür auf und verhielt sich so neutral wie möglich, als ich mich an ihm vorbeibewegte. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also ließ ich ihn neutral sein und war selbst auch neutral. Doch als ich mich anschnallte und er die Tür zuschlug, wurde mir klar, dass er mir fehlen würde. Nicht, weil mein Leben mit ihm bequemer war als ohne ihn, sondern ganz davon abgesehen. Mir würde sein Vanilleduft auf meinem Kopfkissen fehlen, die Wärme auf seiner Bettseite, die Haarmähne. Wäre die Aufzählung damit vollständig gewesen, hätte ich ihn für diese Nacht in sein Zimmer geschickt. Denn er hatte ein eigenes Zimmer, in dem seine Sachen standen, sein ganzes Zeug; nur er selbst hielt sich dort nicht auf. Doch die Aufzählung war damit nicht vollständig, nicht, wenn ich ehrlich sein wollte.
    Bei »Wilbur und Charlotte« hatte er geweint, als Charlotte starb. Ich hätte es nicht versäumen mögen, ihn über eine tote Spinne weinen zu sehen. Es war Nathaniels Idee gewesen, wir könnten eine lange Filmnacht mit alten Monsterfilmen veranstalten. Wer nicht mit einem Haufen Gestaltwandler zusammen »Der Wolfsmensch« (1941), »Der Fluch von Siniestro« (1961) und »Der Werwolf« (1956) gesehen hat, hat das Beste im Leben verpasst. Sie quatschten ständig in den Film, schmissen mit Popcorn und heulten, manchmal buchstäblich, über die filmische Darstellung ihrer Daseinsform. Die Werleoparden beschwerten sich alle, dass es über Werwölfe einige Filme gab, aber nicht über Werleoparden, und als ich »Katzenmenschen« erwähnte, beschwerten sie sich, es gebe keine Filme über Leoparden. Die meisten Werwölfe kannten die 82er Version schon, aber fast keiner kannte das Original von 1942. Wir planten eine weitere Filmnacht, wo wir uns beide Versionen anschauen wollten. Ich war mir sicher, wir würden uns die ganze Nacht lang gut gelaunt beklagen, wie unrealistisch die Filme seien, und würden unheimlich still werden, wo sie der Wirklichkeit sehr nahekamen. Na gut, sie würden unheimlich still werden, und ich würde sie dabei beobachten.
    Ich freute mich schon darauf. Ich versuchte, mir die Filmnacht ohne Nathaniel auszumalen. Kein Nathaniel, der immer wieder mit frischem Popcorn und Getränken aus der Küche kam und die Leute zwang, Untersetzer zu benutzen. Kein Nathaniel, der neben meinen Beinen am Boden saß, die halbe Nacht den Kopf an meine Knie lehnte und die andere Hälfte der Nacht meine Waden streichelte. Es war nichts Sexuelles, er fühlte sich einfach besser,

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