Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
außer Damian. Er kam auf mich zugeschossen. Mir blieb keine ganze Sekunde, um zu entscheiden und zu handeln. Nach jahrelangem Judotraining wusste mein Körper, was er zu tun hatte, bevor mein Verstand so weit war. Ich wandte seine Wucht gegen ihn, benutzte einen Arm und seine Hüfte als Drehpunkt und warf ihn so weit und so heftig, wie es seine Bewegung zuließ.
Er landete zusammengekrümmt am Kopf der Treppe und wandte sich mir schon zu, ehe ich mich wundern konnte, wie weit ich ihn geschleudert hatte. Ach wie gut, dass ich kein Mensch mehr war.
Hinter ihm kam jemand die Treppe hoch. Es war Richard Zeeman, der Ulfric von St. Louis, der Wolfskönig, mein Ex-Verlobter. Wie immer im schlimmsten Augenblick am falschen Ort. Mir blieben ein paar Sekunden, um zu sehen, dass seine beklagenswert kurzen Haare genügend nachgewachsen waren, um Locken zu bilden, dass das weiße T-Shirt einen starken Kontrast zu seiner verblassenden Sommerbräune bildete und dass er noch immer einer der bestaussehenden Männer war, die mir je untergekommen waren. Dann drehte sich der Vampir zu ihm um und stürzte sich auf ihn. Kurz schwankten sie auf der obersten Stufe, dann fielen sie die Treppe hinunter, Richard zuunterst, der Vampir auf ihm. Sie verschwanden außer Sicht, und außer dem Gepolter auf den Stufen hörte ich eine Frau kreischen.
16
I ch ging zur Treppe, erwartete, sie dort ringen zu sehen, doch sie war leer. Ich rannte hinunter den Kampfgeräuschen entgegen. Richard hatte den Kampf ins Wohnzimmer getragen, damit er Platz hatte, seine langen Arme und Beine zu gebrauchen.
Er trat Damian mit Wucht ins Gesicht und brachte ihn ins Taumeln. Kurz sah ich Damian von der Seite; er blutete am Mund und an der Wange. Richard nutzte die paar Sekunden, die der Vampir ihm ließ, für einen schönen Kreistritt gegen die andere Gesichtshälfte. Der Treffer brachte neues Blut hervor. Damian stolperte und stürzte, prallte aber gegen die Wand. Er zögerte lange genug, dass Richard erneut zutreten konnte. Hinterer Fuß aufgesetzt, vorderer Fuß aufgesetzt, aber locker, Körper ein wenig gedreht, um der Schwenkbewegung mehr Kraft zu geben, etwa wie man beim Faustschlag die Faust eindreht, um ein bisschen mehr anzurichten.
Als ich Richard so völlig auf den Vampir konzentriert mit gespannten Muskeln und lockeren Fäusten zum nächsten Tritt ansetzen sah, fiel mir ein, dass er jemand mit übermenschlichen Kräften war, der sich im Zweikampf behaupten konnte. An seiner linken Hand war Blut, aber ich konnte nicht erkennen, ob es sein eigenes oder Damians war.
Ein kleiner Laut lenkte meine Aufmerksamkeit ruckartig zum anderen Ende des Wohnzimmers. Eine dunkelhaarige Frau, die ich nicht kannte, stand neben dem Fernseher. Sie war blass und erschrocken. Ich nahm mir nicht die Zeit, sie länger zu betrachten, denn ich stand zu nah bei den Kämpfenden.
Wäre Damian nur ein großer böser Vampir in meinem Haus, hätte ich meine Pistole geholt und ihn erschossen, doch er war für mich kein Bösewicht. Er war Damian, und irgendwie war das alles meine Schuld. Ich konnte ihn nicht einfach erschießen. Dies war eines der wenigen Male in meinem Leben, wo ich vor lauter Entscheidungsmöglichkeiten erstarrte.
Damian blieb so lange an der Wand – fünfzehn Sekunden, eine halbe Minute –, dass ich schon glaubte, der Kampf sei vorbei, Richard hätte ihn zur Vernunft gebracht. Ich irrte mich. Der Vampir stieß sich blitzartig von der Wand ab und griff an. Richard empfing ihn mit einem Tritt vor die Brust. Es war kein schöner wie der Kreistritt von eben, aber er machte ein dickes, fleischiges Geräusch. Ein Mensch wäre dabei zu Boden gegangen, doch Damian war keiner.
Er taumelte rückwärts auf mich zu; ich hätte nur die Hand auszustrecken brauchen, um ihn zu berühren. Damian wurde vollkommen reglos, wie es nur die alten Vampire können. Er sah aus wie eine schöne Statue. Im nächsten Moment wusste ich, dass er erneut angreifen würde, aber nicht Richard.
Mit blieben zwei Sekunden zum Reagieren, als er zu mir herumfuhr wie ein Wirbel aus weißer Haut und roten Haaren.
Ich warf mich zur Seite, rollte über die Rückenlehne der Couch, landete dahinter auf dem Teppichboden. Sowie ich auf die Beine kam, war Damian bei mir.
Ich spannte mich an, doch es war, als wollte man sich einem Güterzug entgegenstemmen. Er war nicht aufzuhalten oder abzuwehren. Ich fiel und Damian mit mir. Aber ich fiel nicht einfach, sondern nutzte den Fall. Als mein Rücken den Boden
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