Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
Augenblicke guter Sex konnten einen jahrhundertealten Hunger nicht stillen. Sex war wie ein Treibstoff, wie Essen – man verbrannte es und brauchte neues.
Ich ließ seine Hand los und machte einen leicht schwankenden Schritt von ihm und Nathaniel weg. Ein bisschen Abstand wäre gut, dachte ich. »Wir werden es alle überleben«, sagte ich.
»Gut.« Er legte den Kopf schräg. »Ich wusste nicht, dass Damian bei Tag herumlaufen kann.«
»Kann er auch nicht«, sagte ich.
»Soll ich die offensichtliche Frage stellen, oder willst du, dass ich einfach den Mund halte?«
Plötzlich war ich müde, und wahrscheinlich nicht als Einzige. »Warst du überhaupt schon im Bett?«
Er schüttelte den Kopf, und als hätte ich ihn daran erinnert, rieb er sich die gelbgrünen Augen. Die Sonnenbrille steckte bereits in seinem Hemd. »Hab den Kerl von der Bar nach Hause gefahren. Er lebt mit seiner Freundin und deren Kind zusammen. Sie fing an zu streiten, weil er getrunken hatte. Ärger ist nicht gerade hilfreich, wenn man gegen eine Verwandlung ankämpft.«
»Hat er sich verwandelt?«, fragte ich.
»Nein, aber es war knapp, und er ist noch so grün hinter den Ohren …« Micah schüttelte den Kopf. »Mir wäre wohler, wenn die Freundin begriffen hätte, wie gefährlich er werden kann. Das scheint ihr nicht klar zu sein.«
»Sie will es nicht begreifen«, sagte Richard.
Micah drehte sich zu ihm um. Mir wurde in dem Moment bewusst, dass Micah beim Hereinkommen alle angesehen hatte außer ihm. »Dann kennst du Patricks Freundin.«
Richard wollte den Kopf schütteln und zuckte vor Schmerz zusammen. »Nein, aber ich kenne das. Die Mensch gebliebene Ehefrau will nicht sehen, dass sie jetzt mit einem Monster verheiratet ist.« Es hatte vermutlich sachlich klingen sollen. Tat es aber nicht. Es klang bitter.
Ich hatte Richard nie das Gefühl gegeben, ein Monster zu sein, nicht dass ich wüsste. Nein, meistens war ich es gewesen, die sich wie ein Monster gefühlt hatte. Ich ging darauf nicht ein. Ich schwieg dazu, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte oder ob es überhaupt etwas zu sagen gab. Na gut, eines vielleicht: »Die Koalition bietet monatlich ein Treffen für Angehörige an. Ich dachte, wir hätten den Flyer auch bei den Werwölfen verteilt.«
Richard stand auf, hielt sich den Arm. »Ist das mein Patrick? Patrick Cook?«
»Ja«, sagte Micah.
»Und du hast dich die ganze Nacht um ihn gekümmert?«
»Ja.«
Richard sah kurz zu Boden, dann begegnete er Micahs Blick, wirkte aber nicht restlos glücklich. »Danke, dass du dich um meinen Wolf gekümmert hast.«
»Die Wölfe gehören zur Koalition«, sagte Micah. »Ich hätte das auch für jemand anderen getan.«
»Trotzdem danke.«
»Keine Ursache.«
Es entstand ein unangenehmes Schweigen. Ich ließ sie ungern allein, musste aber dringend unter die Dusche. Die Bisswunde würde zwar schmerzen, aber ich hatte gerade Sex ohne Kondom gehabt. Da war Waschen angebracht. Obwohl ich es mit Kondom bevorzugte, war es mir erst hinterher eingefallen. Tammy war trotz Pille schwanger geworden. Ja, sie hatte nicht bedacht, dass Antibiotika die Wirkung außer Kraft setzen können. Eine Chance von einem Prozent kam mir plötzlich sehr hoch vor. Damian war ein tausend Jahre alter Vampir und wahrscheinlich zeugungsunfähig, aber … Es war eine Sache, von einem Freund schwanger zu werden, aber schwanger von jemandem, der nicht mal das war … »Ich gehe duschen.«
Alle sahen mich an. War vermutlich zu abrupt gewesen. »Tut mir leid, aber ich kann hier nicht mehr so rumstehen. Also benehmt euch. Ich beeile mich.«
»Ich rufe einen Arzt«, sagte Micah.
Ich nickte – »gut, gut« – und wollte plötzlich nur noch weg. Nackt und nach Sex riechend, wo Richard und Micah mit mir im selben Zimmer waren, das ging nicht. Dass Damian und Nathaniel ebenfalls nackt waren, verringerte mein Unbehagen kein bisschen. Im Allgemeinen machte mir Nacktheit nicht viel aus, aber im Besonderen war sie noch ein Problem. Ich musste also aus mehreren peinlichen Gründen den Raum verlassen.
»Übrigens, in deinem Wagen in der Auffahrt sitzt eine Frau und weint«, sagte Micah.
»In meinem Wagen?«, fragte ich.
»Nein, in Richards. Ich nehme jedenfalls an, dass es seiner ist. Gregorys Wagen kenne ich. In dem sitzt sie nicht.«
Richard fluchte leise, was er selten tat. »Clair. Die habe ich glatt vergessen.«
»Wer ist Clair?«, fragte ich.
Nach kurzem Zögern sagte er: »Meine Freundin.« Dann ging er zur
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