Schwarze Träume: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
plötzlich Angst. »Scheiße«, flüsterte ich.
»Oui. Wenn du wirklich alle vier Zeichen vollendet hast, gehört deine Sterblichkeit möglicherweise der Vergangenheit an. Und dann könntest du von mir das vierte Zeichen annehmen, ohne etwas zu verlieren.«
»Und dir die Fähigkeit verschaffen, bei Tageslicht herumzulaufen«, sagte ich ziemlich unfreundlich, denn ich hatte bei ihm ein ganz kleines bisschen Begierde herausgehört, als er vom Tagwandeln redete. Eigentlich konnte ich ihm keinen Vorwurf machen; er arbeitete schon zu lange an den Grundlagen seiner Macht, als dass ihm die Vorteile irgendwelcher Umstände entgehen konnten. Aber ich wollte es gern. Denn teils fragte ich mich noch immer, ob ich ihm so viel bedeutete, weil er mich liebte oder weil ich seine Macht vergrößerte. Teils war mir aber klar, dass ich das nie mit letzter Sicherheit wissen würde, und er wahrscheinlich selbst auch nicht. Liebe war nicht so nett, sauber und geradlinig, wie ich sie mir immer gewünscht hatte. Sie war eher vielschichtig und kompliziert. Ein Grund, weshalb ich ihn liebte, war der, dass er nicht leicht umzubringen war. Das konnte ich zugeben. Die Chance, dass er mir plötzlich wegstarb, war kleiner als bei einem Menschen. Das bedeutete mir viel. Was der Tod anrichten konnte, hatte ich zur Genüge gesehen und das schon reichlich früh.
»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht, ma petite. Das ist mehr Kunst als Wissenschaft, wie mir scheint«, erwiderte er mit einer Spur Verärgerung.
»Worüber bist du sauer? Nicht ich unterhalte mich in einer Sprache, die du nicht verstehst, damit ich etwas vor dir verheimlichen kann.«
»Und nicht ich ficke einen anderen Vampir, einen geringeren noch dazu, einen meiner Untergebenen.«
So ausgedrückt, klang es tatsächlich, als könnte er Grund haben, sauer zu sein. »Soll ich mich dafür entschuldigen?«
»Non, aber ich brauche auch nicht damit einverstanden zu sein. Er ist zu dir gekommen, und jetzt ist er von der Tyrannei der Dunkelheit befreit. Das eine kann ich verzeihen, aber nicht beides. Beides ist eine zu bittere Pille, ma petite.«
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Das war alles nicht meine Absicht.«
»Dessen bin ich mir sicher. Ich bin sogar überzeugt, dass Damian nichts davon geplant hat. Nur du, ma petite, kannst immer wieder versehentlich Sex haben.«
Versehentlicher Sex. Bei ihm klang das, als wäre ich in eine Erektion hineingestolpert. Ich behielt den Gedanken für mich. Sehen Sie, ich werde allmählich klüger. Laut sagte ich: »Versehentlicher Sex. So kann man es auch nennen. Werde ich jemals eine Vampirfähigkeit erben, die nichts mit Sex zu tun hat?«
»Das lässt sich bei dir nicht sicher beantworten, ma petite, weil deine Nekromantie eine unberechenbare Größe ist, doch es steht zu bezweifeln. Bisher hast du nur welche von meinen oder von Belles Kräften geerbt, oder eine Abwandlung davon. Und soweit ich weiß, drehen sich Belles Kräfte ebenfalls um Sex.«
»Na großartig. Kannst du mir wenigstens eine Liste geben, damit ich weiß, was ich noch zu erwarten habe?«
»Wenn du das wirklich möchtest, kann ich das tun.«
Ich seufzte. »Nein, sag’s mir lieber persönlich, wenn wir uns heute Abend sehen.«
»Heute Abend? Ich hatte gehofft, du würdest eher kommen.«
»Wir können Damian nicht am helllichten Tag durch die Gegend fahren. Körperlich würde er es vielleicht überstehen, aber geistig nicht. Außerdem muss ich heute Nachmittag arbeiten.«
»Immer die Arbeit, ganz gleich, was um dich herum passiert.«
»Jean-Claude, du hast noch nicht erlebt, was um mich herum passiert, wenn ich zu lange keine Toten erweckt habe. Weißt du, ich möchte keine Schlange von Straßenrandkadavern hinter mir herrennen haben oder, schlimmer noch, einen versehentlichen Zombie in mein Zimmer schlurfen sehen.«
»Willst du damit sagen, dass deine Kräfte, wenn sie nicht genutzt werden, die Toten wecken, selbst wenn du es nicht möchtest?«
»Ja, ich dachte, das hätte ich mal erwähnt.«
»Du hast mir erzählt, dass du als Kind unabsichtlich Tote erweckt hast. Ich habe immer angenommen, das hätte an mangelnder Ausbildung und Disziplin gelegen.«
»Nein. Es hat Jahre gedauert, bis ich das zugeben konnte, aber das war nicht der Grund. Wenn ich nicht mit Absicht Tote erwecke, passiert es unabsichtlich. Oder ich werde von Geistern verfolgt oder von den Seelen frisch Verstorbener. Die sind übrigens besonders lästig. Sie wollen immer, dass ich ihren Angehörigen
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