Schwarzer Engel
keinen Grund, daß du hier herumhängst, während ich wieder zu Kräften komme. Wenn du zurück bist, werde ich wieder ganz in Ordnung sein.« Ich wollte ihn nicht im Stich lassen, obwohl er rund um die Uhr durch private Krankenschwestern die beste Pflege hatte. Immer wieder protestierte ich, aber er bestand weiter darauf, ich sollte bekommen, wonach ich mich so lange gesehnt hatte, meine Chance, Keith und Unsere-Jane wiederzusehen. Und während er mich drängte und mir versicherte, ihm würde es gut gehen, trieb mich innerlich irgend etwas an, mich zu beeilen, ganz rasch, bevor es zu spät sei.
»Du verläßt ihn?« schrie Tony empört, als ich ihm von meinem Plan für die kurze Reise erzählte. Ich wollte Tony nicht die Wahrheit sagen, wohin ich reiste, aus Angst, er würde mich daran zu hindern versuchen. »Jetzt, wenn er dich bräuchte, bist du in New York, um deine Brautausstattung zu kaufen? Heaven, ich dachte, du liebst meinen Bruder! Du versprachst mir, seine Rettung zu sein!«
»Ich liebe ihn wirklich, ganz sicher, aber Troy besteht darauf, daß ich mit unseren Hochzeitsvorbereitungen weitermache.
Und er ist doch jetzt außer Gefahr, oder?«
»Außer Gefahr?« wiederholte Tony dumpf. »Nein, er wird erst an dem Tag, an dem sein erster Sohn zur Welt kommt, außer Gefahr sein. Vielleicht kann er dann seine Überzeugung aufgeben, er würde nicht lange genug leben, um sich selbst fortzupflanzen.«
»Du liebst ihn«, flüsterte ich und der Schmerz, den ich in seinen blauen Augen sah, tat weh. »Du liebst ihn wirklich.«
»Ja, ich liebe ihn. Seit ich siebzehn war, war er in meiner Verantwortung und war die Last, die ich trug. Ich habe alles getan, was ich konnte, um meinem Bruder das bestmögliche Leben zu geben. Ich habe Jillian geheiratet, die zwanzig Jahre älter war, trotz ihrer Lüge über ihr Alter, das sie mit dreißig und nicht mit vierzig angab. Mit der Naivität eines jungen Mannes glaubte ich, sie wäre wirklich die Frau, die sie damals zu sein vorgab – die süßeste, freundlichste und wunderbarste Frau auf der ganzen Welt. Erst später fand ich heraus, daß sie Troy vom ersten Augenblick an nicht ausstehen konnte. Aber zu diesem Zeitpunkt war’s bereits viel zu spät, um meine Ansicht zu ändern, denn ich hatte mich verliebt, töricht, verrückt und unheilbar verliebt.«
Er verbarg seinen gebeugten Kopf in beiden Händen. »Mach nur, Heaven, mach, was du meinst, tun zu müssen, denn letztlich wirst du’s doch tun. Aber denk daran, schnell zurückzukommen, wenn du Troy heiraten willst. Und bring ja keinen aus deiner Hillbilly-Familie mit.« Er hob den Kopf, um mit seinem Augenausdruck zu signalisieren, daß er Bescheid wußte. »Jawohl, albernes Mädchen, ich weiß alles, und nein, Troy hat mir nichts verraten. Ich bin weder leichtgläubig noch dumm.« Wieder grinste er mich teuflisch an. »Und außerdem, liebes Kind, wußte ich immer Bescheid, wenn du durchs Labyrinth schlüpftest, um meinen Bruder zu besuchen.«
»Aber… aber«, stammelte ich verwirrt, unbeholfen und verlegen, »warum hast du dann dem ganzen kein Ende bereitet?«
Ein zynisches Lächeln kräuselte seine Lippen. »Verbotene Früchte sind die begehrtesten. Ich hatte die aberwitzige Hoffnung, daß in dir, jemandem, der grundverschieden von allen Mädchen oder Frauen war, die er zuvor getroffen hatte, jemand, der süß, unverbraucht und ungewöhnlich schön war, daß in dir Troy zu guter Letzt einen guten Grund zum Weiterleben finden würde.«
»Du hast es geplant, daß wir uns verlieben?« fragte ich verblüfft.
»Ich hatte Hoffnung, das ist alles«, erwiderte er schlicht und wirkte zum ersten Mal völlig ehrlich und aufrichtig. »Troy ist wie ein Sohn, den ich nie haben kann. Er ist mein Erbe, derjenige, der das Tatterton-Vermögen erben und die Familientradition fortsetzen wird. Durch ihn und seine Kinder hoffe ich, die Familie zu haben, die mir Jillian nicht geben konnte.«
»Aber du bist doch nicht zu alt dafür!« schrie ich.
Er zuckte zusammen. »Schlägst du denn vor, ich solle mich von deiner Großmutter scheiden lassen und eine jüngere Frau heiraten? Glaube mir, ich würde es, wenn ich’s könnte, ich würde es. Aber manchmal kann man sich selbst so tief verstricken, daß es keinen Ausweg gibt. Ich bin der Hüter einer Frau, die von ihrem Wunsch, jung zu bleiben, besessen ist.
Und ich besitze noch genug Gefühl für sie, um sie nicht in eine Welt hinauszustoßen, in der sie ohne meine Hilfe keine zwei Wochen
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