Schwarzer Kuss Der Nacht
wäre. Stattdessen stand Will vor ihr, mit finsterer Miene. Ungeduldig wartete Mai, dass er verkündete, was er von ihr wollte. Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, wurde es ihr zu viel.
»Was willst du?«
»Ich wollte nur sehen, wie es Sarah geht.«
»Warum?«
»Na ja, ich fühle mich ein bisschen verantwortlich für das, was mit ihr passiert ist.«
»Das solltest du auch«, entgegnete Mai. »Und um deine Frage zu beantworten: Es geht ihr gut. Danke der Nachfrage.« Sie machte Anstalten, die Tür wieder zu schließen, doch Will hob eine Hand.
»Darf ich vielleicht mit ihr reden?«, fragte er.
Mai hielt es für keine gute Idee. Doch als sie gerade erwidern wollte, dass Sarah momentan nicht konnte, tauchte diese plötzlich neben ihr auf.
»Du wolltest mich sprechen?«, erkundigte Sarah sich.
»Ja.« Er sah sie mit einem seltsamen Blick an. »Ich wollte dir sagen, dass mir leidtut, was mit dir und deiner Schwester geschehen ist. Ich schwöre, ich hätte den Dschinn schon längst zerstört, wenn ich geahnt hätte, was er vorhat. Ich …«
Er verstummte, als Sarah ein Lachen ausstieß. Oder war es ein Weinen? Mai wusste es nicht.
Auch Will schien verwirrt. »Entschuldige!«, sagte Sarah und wischte sich die Tränen ab. »Ich dachte nur gerade an das Ritual und …« Ihrer Kehle entwich ein Laut wie ein Schluckauf. »Es war alles so beängstigend. Entschuldige mich!«
Überwältigt von ihren Gefühlen, drückte sie sich eine Hand auf den Mund und lief aus dem Zimmer. Will blickte hilflos zu Mai. »Ich wollte sie nicht aufregen.«
»Ja, ich weiß. Du solltest jetzt gehen. Ich kümmere mich um sie.«
»Danke.« Wieder hielt er sie davon ab, die Tür zu schließen. »Darf ich dich etwas fragen? Hat sie sich irgendwie anders benommen?«
Mai wurde allmählich ärgerlich. »Das weiß ich nicht, Will. Sie wurde entführt und von einem Dschinn in einer anderen Dimension festgehalten. Wie soll sie sich da benehmen?«
Darauf wusste er offensichtlich auch keine Antwort. Er nickte Mai zu, drehte sich um und stapfte davon.
Mai schloss die Tür und ging in die Küche, um etwas zu essen. Eine Minute später kam Sarah zu ihr.
»Denkst du, ich habe seine Gefühle verletzt?«, fragte Sarah, die sich gegen den Tresen lehnte.
Mai winkte ab. »Nach dem, was er gemacht hat? Egal!«
Sarah nickte lächelnd. »Ja, das dachte ich auch schon.« Sie griff in ihre Hosentasche und zog einen Schlüssel heraus. »Guck mal, was ich gefunden habe.«
»Dein Wohnungsschlüssel?«
»Ja. Er war immer noch in meiner Jeans. Ich laufe eben nach nebenan, dusche und ziehe mir etwas Frisches an.«
»Soll ich mitkommen, damit du nicht allein bist?«
»Nein, nein, das geht schon. Aber wenn es dir nichts ausmacht,würde ich danach lieber noch für eine Weile herkommen. Vorausgesetzt, ich falle dir nicht zur Last …«
Mai glaubte, einen ängstlich-zögernden Unterton in ihrer Stimme zu hören, und beruhigte Sarah sofort. »Nein, natürlich nicht. Du fällst mir überhaupt nicht zur Last. Komm ruhig nachher wieder. Ich bin zu Hause.«
Nachdem Sarah weg war, ging Mai wieder in die Küche und sah im Schrank nach, ob wenigstens eine Packung Kräcker oder sonst irgendetwas da war.
Nichts. Sie hatte gar nichts im Haus. Wann war sie das letzte Mal einkaufen gewesen? Es musste einige Zeit her sein. Sobald Sarah wieder zurück war, konnten sie vielleicht einen Happen essen gehen.
Es klopfte. Mai glaubte, dass es Sarah war, die es sich anders überlegt hatte, und riss die Tür auf. »Nick!«
»Hi. Ich habe Sarah gerade gesehen. Sie sagte, du seist wach.«
Er legte einen Arm um ihre Taille und zog sie zu sich. »Wie hast du geschlafen?«
Ihr ganzer Körper erwachte zu neuem Leben, als er sie berührte, und prompt wurde sie rot, weil ihr der Traum wieder einfiel. »Gut, danke. Und was war mit dir? Ich hatte eigentlich gedacht, du wärst noch da, wenn ich aufwache.«
»Ich wollte ein paar Dinge im Büro regeln, damit ich den Rest des Tages mit dir verbringen kann. Hast du meine Nachricht nicht gefunden?«
»Du hast mir eine Nachricht dagelassen?«
»Ja, in der Küche.«
Sie stutzte. »Ich war eben in der Küche, und da lag keine Nachricht.«
»Seltsam«, überlegte er stirnrunzelnd. »Na ja, ich schätze, das erklärt, weshalb du mich nicht angerufen hast, denndarum hatte ich dich gebeten. Wow, ich möchte mir gar nicht ausmalen, was du gedacht haben musst!«
Ihr fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen, auch wenn sie ein bisschen verwundert
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