Schwarzer Mond: Roman
habe das Gefühl«, murmelte Dom, »dass der Alptraum hier noch viel schlimmer sein wird als jemals zuvor.«
Laguna Beach, Kalifornien
Obwohl Parker Faine einer der angesehensten lebenden Künstler Amerikas war, obwohl seine Gemälde von bedeutenden Museen angekauft wurden, obwohl er Aufträge für den Präsidenten und andere Prominente ausgeführt hatte, war er weder zu alt noch zu würdevoll, um seine Komplizenschaft mit Dominick Corvaisis zu genießen, obwohl der Ernst dieser Situation ihm durchaus bewusst war. Für einen erfolgreichen Künstler waren Reife, Ausdauer, Einfühlungsvermögen und überdurchschnittliche Beobachtungsgabe unerlässliche Voraussetzungen, aber man musste sich zugleich auch gewisse kindliche Eigenschaften bewahren: Neugier, Naivität, Staunen über die Wunder dieser Welt und Abenteuerlust. Bei Parker waren diese kindlichen Charakterzüge noch stärker ausgeprägt als bei den meisten anderen Künstlern, und deshalb machte seine Rolle ihm direkt Spaß.
Jeden Tag, wenn er Doms Post abholte, tat er so, als hätte er nicht den leisesten Verdacht, dass er dabei beobachtet werden könnte, während er in Wirklichkeit aufmerksam nach irgendwelchen Verfolgern Ausschau hielt -Spionen, Polizisten oder sonstigen verdächtigen Gestalten. Aber er konnte nie jemanden entdecken.
Trotzdem traf er auch abends, wenn er sein Haus verließ, um in einer Telefonzelle -jedesmal einer anderen - auf Doms Anruf zu warten, gewisse Vorsichtsmaßnahmen: Er kurvte kilometerweit durch die Gegend, um eventuelle Verfolger abzuschütteln, bis er ganz sicher war, nicht beschattet zu werden.
Am Samstag erreichte er nach seinen üblichen Umwegen die für diesen Abend vereinbarte Telefonzelle neben einer Tankstelle. Es regnete stark, und die nassen, beschlagenen Plexiglasscheiben raubten Parker die Sicht auf die Außenwelt, schützten ihn aber gleichzeitig vor neugierigen Blicken.
Er trug einen Trenchcoat und einen regenundurchlässigen Khakihut, dessen Krempe er heruntergeklappt hatte, damit der Regen ablaufen konnte. Er kam sich direkt wie eine Figur aus einem Roman von John le Carre vor und fand das herrlich.
Pünktlich um neun klingelte das Telefon. Es war Dom.
»Ich bin -genau wie ich vorhatte -am Spätnachmittag im Tranquility Motel eingetroffen. Das ist der Ort, Parker!«
Dom hatte eine ganze Menge zu berichten: sein bestürzendes Erlebnis im Tranquility Grille, Ernie Blocks Nyctophobie ... Mit allerhand Umschreibungen gab er Parker auch zu verstehen, dass die Blocks ebenfalls merkwürdige Polaroid-Fotos erhalten hatten.
Äußerste Vorsicht war geboten: Wenn sich im Tranquility Motel tatsächlich die vergessenen Ereignisse des vorletzten Sommers abgespielt hatten, waren die Telefongeräte der Blocks möglicherweise angezapft. Und wenn diese Abhörspezialisten etwas von Fotos hörten, wüssten sie, dass sich in ihrer Mitte ein Verräter befand, und dann würden sie diesen Mann bestimmt finden, und es kämen in Zukunft keine Botschaften und Fotos mehr.
»Ich habe auch Neuigkeiten«, sagte Parker. »Mrs. Wycombe, deine Verlegerin, hat auf das Band deines Anrufbeantworters gesprochen. Die Auflage von >Twilight< ist noch einmal vergrößert worden, und jetzt sind 100.000 Exemplare im Buchhandel.«
»Großer Gott, das Buch habe ich ja total vergessen! Seit ich vor vier Tagen in Lomacks Haus war, habe ich an gar nichts anderes mehr gedacht als nur an diese verrückte Situation.«
»Mrs. Wycombe hat noch mehr gute Neuigkeiten für dich; du sollst sie so schnell wie möglich anrufen.«
»Das werde ich tun. Hast du in der Zwischenzeit irgendwelche interessanten Bilder entdeckt?«
Dom fragte indirekt, ob weitere Fotos mit der Post gekommen waren.
»Nein, aber heute ist für dich ein Brief gekommen, der dich glatt aus den Latschen kippen lässt, alter Junge. Drei der Namen auf jenen Mondpostern in Lomacks Haus hast du ja identifiziert. Wie würde es dir gefallen zu erfahren, wer sich hinter dem vierten verbirgt?«
»Ginger? Ich habe ganz vergessen, dir das zu erzählen. Ihr Name steht im Melderegister des Motels. Dr. Ginger Weiss aus Boston. Ich will sie morgen anrufen.«
»Du hast mir zum Teil den Wind aus den Segeln genommen. Aber es wird dich bestimmt überraschen zu hören, dass du heute einen Brief von Dr. Weiss erhalten hast. Sie hat ihn am 26. Dezember an Random House geschickt, aber dort ist er leider lange liegengeblieben. Na ja, jedenfalls war sie fast am Ende, und dann hat sie zufällig ein Exemplar
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