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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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aristokratisches Auftreten jedem Thron der Welt zur Ehre gereicht hätte.
    Dabei behandelte Rita sie nicht etwa wie eine Tochter, sondern wie eine Schwester, völlig gleichberechtigt. Ginger wusste auch genau, dass ihre mo mentanen Minderwertigkeitskomplexe einfach das Resultat ihrer jämmerlichen Verfassung waren. Bis vor zwei Wochen war sie völlig unabhängig gewesen, und das seit vielen Jahren. Jetzt war sie wieder auf jemanden angewiesen, konnte nicht selbst auf sich aufpassen, und ihre Selbstachtung schwand mit jedem Tag mehr dahin. Rita Hannabys netter und völlig natürlicher Umgangston, die sorgfältig geplanten Unternehmungen, das Geplauder von Frau zu Frau, die subtilen Ermutigungen -das alles konnte Ginger nicht über die schreckliche Tatsache hinwegtrösten, dass das Schicksal sie mit dreißig Jahren in die frustrierende Rolle eines Kindes zurückgeworfen hatte.
    Die beiden Frauen stiegen die Marmortreppe zum Foyer hinab, holten ihre Mäntel aus dem Wandschrank und gingen über die Veranda zur Auffahrt, wo der schwarze Mercedes 500 SEL bereitstand. Herbert, in Personalunion Butler und Faktotum, hatte den Wagen vor fünf Minuten aus der Garage gefahren und den Motor laufen lassen, so dass das Auto ein behaglicher Zufluchtsort vor dem eisigen Wintertag war.
    Rita fuhr den Mercedes mit ihrer üblichen Selbstsicherheit durch die ruhigen, mit Ulmen und Ahornbäumen gesäumten Straßen der Villengegend, sodann durch um so lebhaftere Hauptverkehrsstraßen. Ihr Ziel war die Praxis von Dr. Immanuel Gudhausen auf der geschäftigen State Street. Ginger hatte um halb zwölf einen Termin bei Gudhausen, bei dem sie in der vergangenen Woche schon zweimal gewesen war. Sie sollte ihn jeden Montag, Mittwoch und Freitag aufsuchen, bis die Ursache für ihre Fugues gefunden sein würde. In pessimistischen Augenblicken war Ginger überzeugt davon, dass sie auch in 30 Jahren noch auf Gudhausens Couch liegen würde.
    Rita wollte einen kleinen Einkaufsbummel machen, während Ginger beim Arzt war. Anschließend würden sie in einem exquisiten Restaurant zu Mittag essen; Ginger wusste schon jetzt, dass dieser vornehme Rahmen für Rita wie geschaffen sein würde, dass sie selbst sich dort jedoch wie ein Schulmädchen vorkommen würde, das törichterweise versucht, sich als erwachsen auszugeben.
    »Haben Sie über meinen Vorschlag von letztem Freitag nach gedacht?« fragte Rita unterwegs. »Wie wär's mit dem Frauen-Hilfskomitee für das Krankenhaus?«
    »Ich glaube wirklich nicht, dass ich mich dazu eigne. Ich käme mir schrecklich unbeholfen vor.«
    »Wir leisten wichtige Arbeit«, sagte Rita, während sie geschickt einen Lastwagen überholte und sich in eine Verkehrslücke einordnete.
    »Ich weiß. Ich habe gesehen, wieviel Geld Sie für die Klinik gesammelt haben, wieviel Neuanschaffungen dadurch ermöglicht wurden ... aber ich glaube, ich sollte im Moment dem >Memorial< lieber ganz fernbleiben. Es wäre einfach zu frustrierend für mich, dort zu sein und ständig daran erinnert zu werden, dass ich nicht die Arbeit ausführen kann, für die ich ausgebildet worden bin.«
    »Das verstehe ich, meine Liebe. Vergessen Sie's! Aber da wären immer noch das Symphonie-Komitee, die Frauenliga für die Betagten und das Kinderschutz-Komitee. Überall könnten wir Ihre Hilfe gut gebrauchen.« Rita war unermüdliches Mitglied in zahlreichen Wohltätigkeitsorganisationen. Sie eignete sich nicht nur hervorragend für den Vorsitz und organisatorische Aufgaben, sondern war auch bereit, tatkräftig zuzupacken und sich die Hände schmutzig zu machen. »Na, wie wär's? Ich bin sicher, Sie würden die Arbeit mit Kindern besonders befriedigend finden.«
    »Rita, und wenn ich nun einen meiner Anfälle bekäme, während ich bei den Kindern wäre? Ich würde sie erschrecken und ...«
    »Ach was!« fiel Rita ihr resolut ins Wort. »Jedesmal, wenn ich Sie überreden will, mit mir irgendwo hinzugehen, kommen Sie mit dieser Ausrede daher, um Ihr Zimmer möglichst nicht verlassen zu müssen. >O Rita<, sagen Sie, >ich werde einen meiner schrecklichen Anfälle bekommen und Sie blamieren.< Aber bisher ist nie auch nur das Geringste passiert. Und selbst wenn etwas passierte, so würde es mich nicht stören. Ich bin nicht leicht aus der Fassung zu bringen, Ginger.«
    »Dass Sie eine Mimose sind, habe ich auch nicht geglaubt.
    Aber Sie haben mich nie in diesem Zustand erlebt. Sie wissen nicht, wie ich mich dann aufführe oder ...«
    »Um Gottes willen, Sie tun ja

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