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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Einleuchtend also, dass er eine der berühmtesten Bibliotheken in Oxford gründete. Die Radcliffe Science Library befindet sich in einem runden Kuppelbau, der aussieht wie die St. Paul’s Cathedral minus das ganze religiöse Klimbim. Drinnen bestand alles aus glatt behauenem Stein, Büchern, Emporen und dem angespannten Flüstern junger Leute, die unnatürlich still sind. Unser Kontaktmann erwartete uns neben einer Anschlagtafel am Eingang.
    Außerhalb größerer Städte reicht manchmal meine bloße Erscheinung aus, dass es bestimmten Leuten die Sprache verschlägt. So auch Dr. phil. Harold Postmartin, Fellow der Royal Society und Kurator der Spezialsammlungen der Bodleian Library, der unverkennbar nicht »so einen« als Nightingales Lehrling erwartet hatte. Ich konnte richtiggehend sehen, wie er versuchte, den Satz
Aber der ist ja farbig
so zu formulieren, dass er nicht beleidigend klang, und kläglich scheiterte. Ich erlöste ihn von seinen Qualen, indem ich ihm die Hand reichte. Nach meiner Faustregel sind alle, die nicht vor der körperlichen Berührung mit dir zurückschrecken, auch irgendwann in der Lage, dich unvoreingenommen wahrzunehmen.
    Postmartin war ein gebeugter weißhaariger Herr, der viel älter und zerbrechlicher aussah als mein Vater, aber einen überraschend festen Händedruck hatte.
    »Sie sind also der neue Lehrling«, sagte er und schaffte es, den Satz nicht wie eine Anschuldigung hervorzubringen. Da wusste ich, dass wir klarkommen würden.
    Wie bei allen modernen Bibliotheken war das, was von der Radcliffe sichtbar war, nur die Spitze des Eisbergs.Der größte Teil des Bestands befand sich unter dem Radcliffe Square in Katakomben voller Bücher. Überall hörte man das aufdringliche Summen moderner Klimaanlagen. Postmartin führte uns durch einige Flure mit weiß gestrichenen Ziegelwänden bis vor eine nüchterne metallene Sicherheitstür mit der Aufschrift KEIN ZUTRITT.   Er zog eine Magnetkarte durch das Sicherheitsschloss und tippte eine Zahlenkombination ein.
    Die Tür öffnete sich mit einem satten
Klonk
, und wir betraten eine Kammer mit genau den gleichen Bücherregalen und Klimageräuschen wie in der übrigen Sammlung. Außerdem stand da ein einzelner Arbeitstisch, leer bis auf etwas, das wie das Produkt der unglücklichen Ehe eines frühen Mac mit einem IB M-Rechner aussah.
    »Das ist ein Amstrad PCW«, sagte Postmartin. »Vor Ihrer Zeit, nehme ich an.« Er setzte sich auf einen lila Plastikstuhl und fuhr die Antiquität hoch. »Keine Netzwerkverbindung, keine US B-Anschlüsse , nur Drei-Zoll-Disketten, die nicht mehr hergestellt werden   – so schafft man Sicherheit durch Überalterung. Ähnlich wie das Folly selbst. Etwas, auf das man keinen Zugriff hat, kann man nicht hacken, ich hoffe, ich gebrauche diese Begriffe korrekt.«
    Der Bildschirm leuchtete in einem abscheulichen Grün auf, monochrom wie in einem alten Film. Als der Rechner auf die Drei-Zoll-Diskette zugriff, ertönte ein lautes Rattern.
    »Haben Sie die
Principia
dabei?«
    Ich reichte ihm das Buch, und er fing an, es durchzublättern. »Jedes Exemplar in dieser Bibliothek wurde in ganz besonderer Weise markiert.« Er hielt im Blätterninne und zeigte mir die aufgeschlagene Seite. »Sehen Sie, dieses Wort ist unterstrichen.«
    Ich sah hin. Es war das Wort
regentis
. »Ist das von Bedeutung?«
    »Wir werden sehen«, sagte er. »Vielleicht sollten Sie es aufschreiben.«
    Ich schrieb das Wort in mein Polizeinotizbuch und bemerkte, dass auch Postmartin verstohlen etwas auf einen Block kritzelte, den er so platziert hatte, dass ich ihn   – wie er glaubte   – nicht einsehen konnte. Dann blätterte er weiter, bis er die nächste Unterstreichung fand, wieder schrieb ich das Wort   –
pedem
– auf, und wieder sah ich ihn etwas anderes auf sein Blatt notieren. Das wiederholten wir noch dreimal, dann bat mich Postmartin, die Wörter vorzulesen.
    »
Regentis, pedem, tolleret, loco, hostium «
, sagte ich.
    Postmartin musterte mich über den Rand seiner Brille hinweg. »Und was glauben Sie, was das bedeutet?«
    »Ich glaube, es bedeutet, dass die Seitenzahlen wichtiger sind als die Worte.«
    Postmartin sah völlig niedergeschmettert drein. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich kann Ihre Gedanken lesen.«
    Postmartin schaute Nightingale an. »Kann er das?«
    »Nein«, sagte Nightingale. »Er hat beobachtet, wie Sie die Zahlen aufgeschrieben haben.«
    »Sie haben es faustdick hinter den Ohren, Constable Grant«, sagte

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