Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
Vom Netzwerk:
offensichtlich, dass ihn dieser Geländewagen abgepasst hatte. Warum sollte er sich sonst an dieser Stelle im hintersten Winkel dieses menschenleeren Tals aufhalten? Er fragte sich, wer wohl am Lenker saß. Lombards Handlanger? Aber wenn ihn Lombards Männer beschatteten, wieso sollten sie sich auf diese Weise zu erkennen geben?
    Er wurde nervös.
    Er merkte, dass er das Lenkrad etwas zu fest umklammerte, und atmete tief ein. Ruhe. Keine Panik.
Ein Auto verfolgt dich, na und?
Ein Gefühl, das fast schon Angst war, überfiel ihn, als er dachte, dass es vielleicht der Mörder war. Als er die Tür dieser Hütte aufmachte, war er der Wahrheit vielleicht zu nahe gekommen … Jemand war zu dem Schluss gelangt, dass er lästig wurde. Er blickte ein weiteres Mal in seinen Rückspiegel. Er hatte eine große Kurve hinter sich; die Scheinwerfer seines Verfolgers waren hinter den hohen Bäumen, die die Kurve säumten, verschwunden.
    Dann tauchten sie wieder auf – und Servaz’ Herz setzte kurz aus, während eine blendende Helligkeit den Fahrgastraum des Jeeps durchflutete.
Fernlicht!
Servaz merkte, dass er schweißgebadet war. Er blinzelte, geblendet wie ein Tier, das nachts von einem Auto überrascht wird, so wie die Eule vorhin bei der Hütte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Der Geländewagen war näher gekommen. Er hing ihm jetzt fast an der Stoßstange. Seine starken Scheinwerfer verwandelten das Innere des Jeeps in einen Feuerball, der jedes Detail des Armaturenbretts wie mit einem weißen Lichtschweif hervorhob.
    Servaz gab Gas, seine Angst vor dem, was da hinter ihm war, besiegte seine Angst vor der Geschwindigkeit, und sein Verfolger ließ ihn Abstand nehmen. Er versuchte, tief durchzuatmen, aber das Herz schlug ihm bis zum Hals, und der Schweiß rann ihm übers Gesicht wie Wasser. Jedes Mal, wenn er einen Blick in den Rückspiegel warf, trafen ihn blendend weiße Strahlenblitze mit voller Wucht ins Gesicht, und schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen.
    Plötzlich beschleunigte der Geländewagen.
Verdammt, der spinnt! Der fährt mir glatt drauf!
    Noch bevor er irgendwie reagieren konnte, hatte ihn das schwarze Fahrzeug schon überholt. In einem Moment reinster Panik glaubte Servaz, dass der Fremde ihn von der Straße drängen wollte, aber der Geländewagen beschleunigte weiter in gerader Linie und entfernte sich, und seine Rücklichter verschwanden sehr schnell in der Nacht. Servaz sah, wie vor der nächsten Kurve die Bremslichter aufleuchteten – dann war der Bolide verschwunden. Er bremste und blieb auf dem holprigen Seitenstreifen stehen. Er beugte sich zur Seite, um seine Waffe aus dem Handschuhfach zu holen, und stieg mit schlotternden Beinen aus. Die kalte Abendluft tat ihm gut. Er wollte das Magazin seiner Waffe überprüfen, aber seine Hand zitterte so stark, dass es ihm erst nach etlichen Sekunden gelang.
    Die Warnung war so klar, wie die Nacht finster war: Jemand in diesem Tal wollte nicht, dass er allzu gründlich ermittelte. Jemand wollte nicht, dass er die Wahrheit entdeckte.
    Aber um welche Wahrheit handelte es sich?

17
    Z iegler und er nahmen am nächsten Tag an Grimms Beisetzung auf dem kleinen Friedhof des Ortes teil.
    Hinter den Trauernden, die sich um das ausgehobene Grab versammelt hatten, schienen auch die schwarzen Tannen, unter denen die Gräber verteilt waren, Trauer zu tragen. Die Blätter raschelten sanft im Wind, als wisperten sie ein Gebet. Die Totenkränze und das Grab hoben sich vom Schnee ab. Das Dorf lag unten im Tal. Und Servaz sagte sich, dass man hier oben tatsächlich dem Himmel näher war.
    Er hatte schlecht geschlafen. Mehrmals war er aufgeschreckt, die Stirn schweißgebadet. Er musste immer wieder an das denken, was gestern Abend passiert war. Er hatte Irène noch nichts davon erzählt. Seltsamerweise befürchtete er, dass man ihn ausbooten und jemand anderen mit den Ermittlungen betrauen würde, wenn er darüber reden würde. Waren sie hier in Gefahr?
Jedenfalls mochte dieses Tal keine Fremden, die hier herumschnüffelten.
    Er betrachtete den Hügel, auf dem der Friedhof lag, um sich ein wenig zu beruhigen. Im Sommer musste es angenehm sein auf diesem grünen Hügel, der sich wie der Bug eines Schiffs – oder wie ein Zeppelin – über das Tal schob. Diese runde, sanft geschwungene Kuppe, wie die Rundungen einer Frau. Selbst die Berge wirkten von hier aus weniger bedrohlich; und die Zeit war auf angenehme Weise aufgehoben. Während sie auf den Ausgang des Friedhofs

Weitere Kostenlose Bücher