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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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das Kellergeschoss der Klinik über die Betonrampe und atmete in kräftigen Zügen die reine, frische Luft ein. Aber er hatte noch lange den Geruch nach Formalin, Desinfektionsmittel und Leiche in der Nase. Sein Handy läutete in dem Moment, als er den Jeep aufschloss. Es war Xavier.
    »Ich habe die Liste«, verkündete der Psychiater. »Von allen Personen, die mit Hirtmann in Kontakt gekommen sind. Wollen Sie sie?«
    Servaz betrachtete die Berge.
    »Ich komme sie holen«, antwortete er. »Bis gleich.«
    Der Himmel war dunkel, aber es regnete nicht mehr, als er in Richtung der Klinik und der Berge fuhr. In jeder Kurve lagen am Straßenrand gelbe und rote Blätter, die letzten Spuren des Herbstes, die sich gegen den Schnee abhoben und beim Vorbeifahren des Autos aufflogen. Ein scharfer Wind peitschte die nackten Äste, die wie dürre, knochige Finger über die Karosserie kratzten. Am Lenkrad des Cherokee fiel ihm wieder Margot ein. War Vincent ihr gefolgt? Anschließend dachte er an Charlène Espérandieu, an den Jungen namens Clément, an Alice Ferrand … Alles drehte sich, alles vermischte sich, je weiter er durch die Kurven fuhr.
    Sein Telefon summte wieder. Er ging dran. Es war Propp.
    »Ich habe vergessen, Ihnen etwas zu sagen: Weiß ist wichtig, Martin. Das Weiß der Gipfel für das Pferd, das Weiß des nackten Körpers von Grimm, dann wieder der Schnee bei Perrault. Das Weiß steht für den Mörder. Er sieht darin ein Symbol der Reinheit, der Reinigung.
Suchen Sie das Weiß.
Ich glaube, im Umfeld des Mörders spielt die Farbe Weiß eine große Rolle.«
    »Weiß wie das Institut?«, sagte Servaz.
    »Keine Ahnung. Wir haben diese Spur doch fallenlassen, oder? Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht mehr dazu sagen.
Suchen Sie das Weiß.
«
    Servaz bedankte sich und legte auf. Ein Kloß im Hals. Eine Gefahr lag in der Luft, er spürte es.
    Es war noch nicht vorbei.

[home]
    TEIL DREI
Weiß
    23
    » Elf«, sagte Xavier. Er reichte ihm das Blatt über den Schreibtisch. »Elf Personen waren im Lauf der letzten beiden Monate mit Hirtmann in Kontakt. Hier ist die Liste.«
    Der Psychiater wirkte besorgt und sah abgespannt aus.
    »Ich habe mich lange mit jedem von ihnen unterhalten«, sagte er.
    »Und?«
    In einer hilflosen Geste breitete Dr. Xavier die Hände aus.
    »Nichts.«
    »Wie das, nichts?«
    »Es hat nichts gebracht. Niemand scheint etwas zu verbergen zu haben. Oder aber alle. Ich weiß es nicht.«
    Er fing Servaz’ fragenden Blick auf und hob eine Hand, wie um sich zu entschuldigen.
    »Ich will damit sagen: Wir leben hier in einer abgeschlossenen Welt, fern von allem. Unter solchen Umständen werden immer Intrigen gesponnen, die von außen gesehen unverständlich erscheinen. Es gibt kleine Geheimnisse, Machenschaften hinter den Kulissen, die sich gegen diesen oder jenen richten, Cliquen, die sich bilden, ein ganzes Spiel von zwischenmenschlichen Beziehungen, dessen Regeln einem Außenstehenden surrealistisch vorkommen könnten … Sie fragen sich bestimmt, wovon ich hier rede.«
    Servaz lächelte.
    »Überhaupt nicht«, sagte er und dachte an seine Kollegen bei der Mordkommission. »Ich weiß genau, was Sie meinen, Doktor.«
    Xavier entspannte sich ein wenig.
    »Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Gern.«
    Xavier stand auf. In einer Ecke standen eine kleine Kaffeemaschine und daneben ein Korb voller goldfarbener Kapseln. Er war gut, Servaz genoss ihn. Es wäre eine Untertreibung gewesen zu sagen, er hätte sich an diesem Ort einfach nur unwohl gefühlt. Er fragte sich, wie man hier arbeiten konnte, ohne total verrückt zu werden. Es waren nicht nur die Insassen. Es war auch der Ort: diese Mauern, die Berge draußen.
    »Kurz, es ist schwierig, allen Faktoren Rechnung zu tragen«, fuhr Xavier fort. »Hier haben alle ihre kleinen Geheimnisse. Unter diesen Umständen spielt niemand mit offenen Karten.«
    Dr. Xavier warf ihm hinter seiner roten Brille ein kleines, entschuldigendes Lächeln zu.
Auch du nicht, mein Lieber,
sagte sich Servaz,
du spielst auch nicht mit offenen Karten.
    »Ich verstehe.«
    »Ich habe sämtliche Personen aufgelistet, die mit Julian Hirtmann Kontakt hatten, aber das bedeutet nicht, dass ich sie alle für verdächtig halte.«
    »Ach, nein?«
    »Unsere Pflegedienstleiterin zum Beispiel. Sie ist eine der langjährigsten Mitarbeiterinnen. Sie hat schon zu Zeiten von Dr. Wargnier hier gearbeitet. Dass diese Einrichtung so reibungslos funktioniert, ist nicht zuletzt ihrer Kenntnis der Insassen und

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