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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Person handelte? Aber nein, sie hatten ja den Volvo wegfahren hören! Schießlich fasste er noch die Ereignisse des Tages und des Vortags zusammen, die überstürzte Flucht Chaperons, sein leeres Haus, die Entdeckung des Capes und des Rings, die Patronenschachtel auf dem Schreibtisch …
    »Du kommst der Wahrheit näher«, bemerkte Saint-Cyr mit sorgenvoller Miene. »Du bist ganz nah dran. Aber das …«, sagte er, während er den Hals von Servaz betrachtete, »… was er mit dir gemacht hat, das zeigt … das zeigt, dass er unglaublich gewalttätig ist und jetzt vor nichts mehr zurückschreckt. Er ist bereit, wenn es sein muss, Polizisten umzubringen.«
    »Er oder sie«, sagte Servaz.
    Saint-Cyr sah ihn scharf an.
    »Du hast keine Idee, wo er sich verstecken könnte?«
    Der ehemalige Richter ließ sich für die Antwort Zeit.
    »Nein. Aber Chaperon liebt die Berge und das Bergsteigen. Er kennt alle Pfade, alle Schutzhütten auf französischer wie auf spanischer Seite. Du solltest dich an die Bergwacht wenden.«
    Natürlich. Wieso hatte er nicht früher daran gedacht?
    »Ich habe etwas Leichtes zubereitet«, sagte Saint-Cyr. »Wie du es wolltest. Eine gebackene Forelle mit Mandeln. Das ist ein spanisches Rezept. Du wirst sehen, wie gut das schmeckt.«
    Er ging in die Küche und kam mit zwei dampfenden Tellern zurück. Servaz trank noch einen Schluck Wein, ehe er sich über die Forelle hermachte. Sein Teller verströmte einen köstlichen Duft. Die Soße war leicht, aber delikat gewürzt – sie schmeckte nach Mandeln, Knoblauch, Zitrone und Petersilie.
    »Du glaubst also, dass da jemand diese Jugendlichen rächt?«
    Servaz nickte mit verzerrtem Gesicht. Bei jedem Bissen, den er hinunterschluckte, tat ihm der Hals weh. Schon sehr bald hatte er keinen Hunger mehr. Er schob den Teller zurück.
    »Tut mir leid, ich kann nicht mehr«, sagte er.
    »Natürlich, ich mach dir einen Kaffee.«
    Unvermittelt musste Servaz wieder an das in die Baumrinde geschnitzte Herz denken. Er dachte an die fünf Namen im Innern des Herzens. Fünf der sieben Selbstmörder.
    »Die Gerüchte waren also begründet«, sagte Saint-Cyr, als er mit einer Tasse zurückkam. »Es ist unglaublich, dass uns dieses Tagebuch durch die Lappen gegangen ist. Und dass es uns auch sonst nicht gelungen ist, das kleinste Indiz zur Bestätigung dieser Hypothese zu finden.«
    Servaz begriff. Einerseits war der Richter erleichtert darüber, dass endlich die Wahrheit herauskam; andererseits empfand er, was jeder empfindet, der jahrelang ein Ziel verfolgt und just dann, als er sich mit seinem Scheitern abgefunden hat, erleben muss, dass ein anderer es an seiner Stelle erreicht: das Gefühl, das Wesentliche verpasst, seine Zeit verschwendet zu haben.
    »Deine Intuition hat dich letztlich nicht getrogen«, bemerkte Servaz. »Und anscheinend haben die vier ihr Cape nicht ausgezogen, wenn sie zur Tat schritten, und ihren Opfern nie ihr Gesicht gezeigt.«
    »Trotzdem: dass keines ihrer Opfer jemals etwas darüber hat verlauten lassen!«
    »Bei solchen Taten ist das häufig – das weißt du genauso gut wie ich. Die Wahrheit kommt viele Jahre später ans Licht, wenn die Opfer erwachsen und selbstsicherer sind und keine so große Angst mehr vor den Tätern haben.«
    »Ich vermute, du hast die Liste der Kinder, die sich in der Kolonie aufgehalten haben, bereits überprüft?«, äußerte Saint-Cyr.
    »Welche Liste?«
    Der Richter warf ihm einen erstaunten Blick zu.
    »Die von mir erstellte Liste sämtlicher Kinder, die in der Ferienkolonie gewesen sind; sie befindet sich in dem Karton, den ich dir gegeben habe.«
    »In dem Karton war keine Liste«, antwortete Servaz.
    Saint-Cyr wirkte verärgert.
    »Aber klar doch! Glaubst du vielleicht, ich spinne? Da sind alle Dokumente drin, da bin ich mir ganz sicher. Auch dieses. Wie schon gesagt, habe ich damals versucht, irgendeine Verbindung zwischen den Selbstmördern und den Kindern herzustellen, die sich in der Kolonie aufgehalten haben. Ich habe mir gesagt, dass es vielleicht schon früher Suizide von ehemaligen Feriengästen der Kolonie gegeben hat, die unbemerkt geblieben sind, weil es sich um Einzelfälle handelte. Das hätte mein Gefühl bestätigt, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen Selbstmorden und der Kolonie gab. Also habe ich mir im Rathaus die Liste sämtlicher Kinder besorgt, die sich in der Kolonie aufgehalten haben, von ihrer Gründung bis zu den Ereignissen. Und diese Liste ist im Karton.«
    Saint-Cyr

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