Schwarzes Blut
seiner Stimme: »Ja. Es bringt mich ins Grübeln, woher du das alles weißt.«
Ich beuge mich zu ihm und lege ihm die Hand aufs Bein. Ich kann sehr sinnlich sein, wenn ich es einsetzen möchte, und ich muß auch zugeben, daß ich Joel attraktiv finde. Nicht daß ich ihn liebe wie Ray, aber von der Bettkante würde ich ihn auch nicht herunterschubsen, solange Ray nichts davon erfährt. Die Illusionen der meisten Menschen von wegen heilige Treue teile ich nicht. Immerhin habe ich ja auch schon zehntausend Liebhaber gehabt. Aber nur des Sex wegen möchte ich Ray nicht verletzen, und ich möchte ihn auch nicht noch mal anlügen. Joel spürt die Elektrizität meiner Finger und rutscht nun erst recht hin und her. Ich mag es, wenn die Jungs zappelig werden.
»Was wolltest du gerade sagen?« frage ich. Meine Hand liegt noch immer auf seinem Schenkel.
Er räuspert sich. »Du bist sehr verführerisch, Alisa. Vor allem, wenn du nicht genau zu erkennen gibst, was du willst.« Er blickt auf meine Hand hinunter, unschlüssig, ob er sich über die Berührung freuen oder davor zurückschrecken soll. »Aber ich kann durch deine Fassade hindurchsehen.«
Ich ziehe die Hand zurück, bin aber nicht beleidigt. »Das ist alles? Eine Fassade?«
Er schüttelt den Kopf. »Wo bist du groß geworden?«
Ich lache aus vollem Herzen. »Im Dschungel! An einem Ort, der dem ähnlich sieht, wo diese Morde geschehen sind. Ich habe zugesehen, wie diesem jungen Mann das Genick gebrochen wurde. Ein normaler Mensch hätte das nicht hingekriegt. Die Person, die ihr sucht, ist kein normaler Mensch. Mein Freund, der starb, als mein Haus in die Luft flog, war es auch nicht. Wenn wir finden, was von ihm übrig ist, können wir hoffentlich auch euren Mörder finden. Jetzt frag mich bloß nicht, wieso diese Leute keine normalen Menschen sind, wieso sie so kräftig sind oder auch nur, warum mein Haus in die Luft geflogen ist. Ich sage es dir doch nicht.«
Er blickte mich unentwegt an. »Bist du ein normaler Mensch, Alisa?« fragt er.
»Was meinst denn du?«
»Nein.«
Ich tätschele sein Bein. »In Ordnung. Denk nur weiter so.«
Insgeheim jedoch finde ich, er weiß schon zuviel über mich.
Wenn das hier alles vorbei ist, werde ich Joel Drake umbringen müssen.
4.
KAPITEL
Auf dem Weg nach Mayfair erzählt mir Joel von seinem Leben. Mag sein, daß ich ihm die Informationen ein wenig aus der Nase ziehe. Mag auch sein, daß er gar nichts vor mir zu verbergen hat. Ich höre aufmerksam zu. Von Kilometer zu Kilometer gefällt er mir besser. Was mich einigermaßen beunruhigt. Vielleicht ist es ja gerade das, was er beabsichtigt: ganz offen mit mir zu sein. Wahrscheinlich weiß er, daß ich gefährlicher bin, als ich aussehe.
»Ich bin auf einer Farm in Kansas groß geworden. Von dem Moment an, als ich zum erstenmal FBI anguckte, die alten Sendungen mit Efraim Zimbalist Jr., wollte ich FBI-Agent werden. Erinnerst du dich an diese Sendungen? Sie waren klasse. Ich glaube, ich wollte unbedingt ein Held werden: Bankräuber schnappen, entführte Kinder wiederauffinden, Serienmörder aufhalten. Aber als ich die Polizeiakademie in Quantico, Virginia, absolviert hatte, haben sie mich auf Kleinkriminalität in Cedar Rapids, Iowa, angesetzt. Ein ganzes Jahr habe ich damit verbracht, Buchhaltern hinterherzuschnüffeln. Dann kam der große Wendepunkt. Meine Vermieterin wurde umgebracht. Erstochen und in einem Getreidefeld vergraben. Das geschah am Ende des Sommers. Die örtliche Polizei wurde eingeschaltet, und sie fanden die Leiche auch ziemlich schnell. Sie waren überzeugt, daß ihr Freund sie umgebracht hatte. Sie hatten den Kerl sogar schon eingelocht und waren dabei, ihm den Prozeß zu machen. Ich aber war überzeugt davon, daß er sie wirklich geliebt hatte und ihr um nichts in der Welt ein Haar hätte krümmen können. Sie hörten aber nicht auf mich. Zwischen dem FBI und der Polizei gibt es schon von jeher eine Rivalität. Selbst in Los Angeles und selbst bei diesem Fall hier hält die Stadtpolizei ständig Informationen vor mir zurück.
Jedenfalls habe ich auf eigene Faust einen anderen Verdächtigen unter die Lupe genommen: den sechzehnjährigen Sohn der Frau. Ich weiß, ich weiß: Er hört sich nicht an wie ein heißer Kandidat; schließlich war er ihr einziges Kind. Aber ich kannte ihren Sohn so gut wie ihren Freund, und der Junge war einfach schlecht. Ein Rauschgiftabhängiger, der einem Obdachlosen noch die letzten Groschen geklaut hätte. Ich war ja ihr Mieter, und
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