Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
Vom Netzwerk:
kräftiger Dieselmotoren und die taktfeste
Humpamusik einer skandinavischen Tanzband.
    Plötzlich öffnete sich die Tür der Fahrerkabine des
Sca-nia. Ein Kerl mit Cowboyhut, Hemd, Weste, Jeans und Cowboystiefeln sprang
heraus. Was für eine Riese, dachte Anders, ein echter norwegischer
Bauernjunge. Er traute seinen Augen nicht. Doch er konnte sich das Grinsen
nicht verkneifen, als er sich räusperte und sagte:
    »Hallo, Freddy.«
    Freddy Bogen drehte sich um. »Mensch, Anders, ist das
möglich?«
    Sie schüttelten sich die Hände.
    »Und dann treffen wir uns hier, auf einer Autobahn mitten in
Europa!« Freddy lächelte schüchtern, zog den vorstehenden Bauch ein und nahm
die Cowboyhaltung ein. »Letztes Mal, das muss, war das vielleicht …«
    Anders nickte. »Aber davor?«
    »Da waren wir noch klein. Ich habe bei dir übernachtet. In
Bakketeig.«
    Anders nickte wieder. »Wir haben auf dem Dachboden
geschlafen. Wir hatten den Kartoffelacker umgegraben und …«
    »Und du hast mich mit Gespenstergeschichten zu Tode
erschreckt«, sagte Freddy Bogen. »Lust auf einen Schluck?«
    Er zog eine Flasche Jack Daniels aus der Seitentasche der
LKW-Tür. Aus dem Nichts zauberte er zwei Plastikbecher hervor. »Weißt du,
woran ich mich auch noch erinnere?«
    Anders roch an seinem Becher.
    »Als wir am nächsten Morgen aufgestanden sind«, sagte
Freddy, »da haben wir an dem riesigen Tisch in Bakketeig gefrühstückt, die
Arbeiter waren schon draußen, nur du und ich und deine Großmutter waren dort
in der Küche, und sie hat Brot gebacken, weißt du noch? Sie hat jeden Freitag
Brot gebacken.«
    »Das tut sie noch immer«, sagte Anders.
    »Und wir durften das frische Brot mit guter Butter und
Kaviar-Creme probieren«, sagte Freddy. »Ich hatte noch nie etwas so Leckeres
gegessen. Und dann hast du deine Großmutter nach Sirup gefragt.«
    Freddy hielt inne und trank einen Schluck.
    Anders sah ihn an. Der schwere Kerl mit dem gutmütigen
Gesicht und den rosigen Wangen. Ein echter norwegischer Cowboy in der großen
weiten Welt. Anders wusste noch, dass Freddy und er einmal in Kindertagen auf
dem Dachboden geschlafen hatten. Doch an den Rest der Episode erinnerte er sich
nicht. Überhaupt nicht.
    »Doch«, sagte Freddy, »deine Großmutter hat dann so einen
holländischen Krug aus der Kammer geholt, und der war mit dunklem Sirup
gefüllt, und wir beide haben noch mehr warmes, frisches Brot bekommen und
mächtig viel Sirup draufgeschmiert und wie die Trolle gemampft. Und dann hast
du zu deiner Großmutter gesagt: ›Eins musst du wissen, Oma, frisches Brot
schmeckt am besten mit Sirup!‹«
    Es war das erste Mal, dass Anders eine Party in einem LKW
feierte. Die Kabine war eingerichtet wie eine kleine Wohnung. Ein Elchfell an
der Wand, Stockbetten hinter den Sitzen, der parfümierte Geruch von Wunderbaum
und eine Stereoanlage mit den dazugehörigen Werken von Svenne & Lotta,
Vikingarna, Willie Nelson und Hank Snow.
    Anders und Freddy sprachen über die Angeltouren in ihrer
Kindheit, Tratsch aus Freddys Heimatdorf, über die Dorforiginale, die sich bei
Alfred im Laden trafen, Ole, der mit seinem Pils auf dem Hocker saß und Angst
davor hatte, nach Hause zu gehen, weil seine Frau ihn mit dem Kochlöffel
erwartete, wenn er betrunken heimkam. Nils, der sich den gleichen Militäranzug
wie Yassir Arafat gekauft hatte – unzerstörbar – und seit zwanzig Jahren
in dieser grünen Jacke herumlief, genau wie Yassir Arafat. Reidar, der gut
malen konnte, aber der den Anblick von Menschen nicht ertrug und sich deshalb
jedes Mal, wenn Besuch kam, unter der Scheune versteckte.
    Anders und Freddy Bogen tranken Jack Daniels und Bier und
kicherten und lachten über alte Zeiten und Kindheitserinnerungen, während
Willie Nelson
On the Road Again
und Hank Snow
Just Pour Me Another
Cup of Coffee
sangen, und Freddy wischte sich die Lachtränen fort und
sagte: »Warst du gar nicht bei Martins Beerdigung?«
    Anders lachte nicht mehr. Schwer blickte er Freddy an.
»Martin? Ist er tot?«
    Freddy nickte langsam.
    Anders dachte: Martin lebt nicht mehr. Martin ist weg. Man
kann Martin nicht mehr besuchen. Anders fühlte sich wie auf Glatteis, in der
Sekunde, nachdem einem die Beine weggerutscht sind und man mit dem Hinterkopf
aufgeschlagen ist. Er sagte: »Wie lange ist das her?«
    »Einen Monat vielleicht.«
    Martin war tot, und niemand hatte etwas gesagt. Anders hob
die Bierdose an den Mund und trank. Eine neue

Weitere Kostenlose Bücher