Schwarzes Gold Roman
Vebjørn von einem
Vorstellungsgespräch zurück.
Lächelnd blieb er auf der Treppe stehen. »Was ist los?«,
fragte Liv theatralisch.
Der Vater sah Anders an. »Komm mit, hilf mir mal tragen.«
»Jetzt sag schon, Vebjørn, wie ist es gelaufen?« »So lala«, sagte Vebjørn
und grinste. Danach sprachen sie nicht mehr darüber. Anders half seinem Vater
beim Tragen. Quer über den Rücksitz stand ein langer Blumenkasten mit einer
riesigen, grünen Kletterpflanze. Er wurde an der Wand neben dem Fenster
gestellt, und alle Familienmitglieder hatten sich darum versammelt und
bewunderten das kräftige Blattwerk, den dichten Wuchs und freuten sich, wie
gut die Pflanze an diesen Teil der Wand passte, wo sonst immer ein Fleck
nackter Tapete gewesen war. Liv war stets der Ansicht gewesen, dass dort etwas
fehlte – zum Beispiel ein Gemälde. Vebjørn vergrub die Hände in der Erde,
die mit Bimsstein bedeckt war.
»Das Beste ist, dass sie Trockenheit verträgt, solange man
nicht vergisst, die Blätter zu sprengen, hat der Typ im Laden gesagt.«
Auch wenn Liv Lindeman in Bakketeig aufgewachsen war, mit
einer betriebsamen Mutter, die einen schönen Garten unterhielt, war sie doch
nicht sonderlich an Gartenarbeit interessiert. Im Frühling pflanzte sie gern
Sommerblumen. Aber im Haus war nur wenig Grün zu finden. Manchmal kaufte sie
im Winter ein paar Begonien, Primeln oder einer Saintpaulia, aber da sie sich
nicht darum bemühte und niemand ihr beim Gießen half, blühten die Pflanzen
einmal und gingen dann nach kurzer Zeit ein. Eine Grünpflanze ohne Blüten war
etwas Neues. Und diese Pflanze sollte das neue grüne Haustier der Familie
werden. Mit einer riesigen Pflanze im Haus hatte man ein Stück Natur nach
drinnen geholt. Sie überdauerte, sie starb nicht, sie welkte nicht, und die
Familie entwickelte ihr gegenüber eine eigene Form dankbarer Liebe. Alle
wollten diesen Zustand erhalten, daher waren sie bemüht, regelmäßig die
Blätter zu sprengen. Anders dachte, dass diese grüne Pflanze etwas
Dauerhaftes für die Familie symbolisierte. Etwas, dem es gut ging und das in
einem Sumpf aus Verstellung, Trunkenheit und unausgesprochenen Gefühlen
überlebte.
7
Es war fast Mitternacht, als das Telefon klingelte. Das
Klingeln drang nur leise durch die Wände. Vebjørn hatte noch nicht
geschlafen. Er warf einen Blick auf Livs Kopf, der auf dem Kissen ruhte. Sie
schlief, oder sie tat zumindest so, als ob. Er schob die Decke zur Seite und
stieg aus dem Bett, beeilte sich, die Treppe hinunterzukommen. Er war sicher,
dass der Anrufer genau in dem Augenblick auflegen würde, wenn er den Apparat
erreichte. Aber er irrte sich.
»Ich bin’s, Georg.«
»Mensch, Georg, wie geht es dir? Ich habe gehört, du machst
Fortschritte.«
»Ich lebe noch, falls man Atmen als Leben bezeichnen
kann.«
Vebjørn schwieg. Es war fast wie in alten Zeiten, als Georg
the bulldog
war und Vebjørn schwieg, wenn gebellt wurde.
»Ich zahle sie aus.«
»Du zahlst was?«
»Sara Augusta und diesen Blutsauger von einem Ehemann. Ich
zahle sie aus. Damit erlöschen dann alle Ansprüche an mich und die Reederei.
Das nur zur Information, wie man früher auf Rundschreiben zu vermerken
pflegte.«
Vebjørn wusste nicht, was er sagen sollte. Ihm fiel nichts
anderes ein als: »Wie schön, Georg.«
»Und du brauchst auch nicht zu fragen, ob ich mir das
leisten kann – du nicht.«
Vebjørn antwortete nicht.
»Gute Nacht, Vebjørn«, sagte Georg Spenning.
Vebjørn blieb mit dem Hörer in der Hand stehen und
betrachtete sein Spiegelbild. Ein magerer Mann im Schlafanzug mit zerzaustem
Haar und Ringen unter den Augen. Er fragte sich, welche Art von Befriedigung es
dem alten Reeder verschaffte, den Wölfen Fleischbrocken vorzuwerfen und
anschließend anderen davon zu erzählen, wie er sie losgeworden sei. Vebjørn
holte Luft, und in seinem Kopf nahm eine Frage Gestalt an. Er überlegte, ob
Spenning wirklich selbst daran glaubte, dass die Wölfe für alle Zeit
verschwinden würden.
Er streckte die Hand aus und machte die Wandlampe aus, die
über dem Spiegel hing. Dann ging er zurück ins Bett – im Dunkeln.
Aftenposten, 1. Februar 1974 »Menschen und
Karrieren«
Neuer Bankchef für CBK Valuta
Vebjørn Lindeman (Bild) tritt als neuer Chef der
Devisenmakler der Christiania Bank und Kreditkasse an. Lindeman ist 41 Jahre
alt und hat an der norwegischen Handelshochschule in Bergen Volkswirtschaft
studiert. Er
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