Schwarzes Gold Roman
ins Spiel zu
bringen, um einen Streit mit dem Bruder vom Zaun zu brechen.
Seine Mutter schaute von ihrem Stuhl in der Ecke auf. »Uff,
kannst du nicht nach Schweden umschalten?«
Anders schaltete nach Schweden um. Auf dem Bildschirm: Idi
Amin, der Diktator in Uganda. »Es geht das Gerücht, er wäre ein Kannibale«,
sagte Anders.
»Pfui Teufel«, sagte Renate.
Gemeinsam sahen sie zu, wie Idi Amin mit einem anderen
Menschen um die Wette schwamm. Der andere gewann. Doch Idi Amin schien das
nicht zu begreifen. »Ich habe gewonnen!«, rief er. »Habt ihr gesehen, ich
habe gewonnen!«
Anders musste lachen.
Per Ole sagte: »Bei aller Liebe, der Typ ist doch ein
Betrüger. Er muss doch gemerkt haben, dass er nur Zweiter war.«
Renate warf Per Ole einen Blick zu, danach sah sie Anders
an.
»Sieht nicht so aus, als hätte er das kapiert«, sagte
Anders.
Renate hob die Hand. Ein Signal, das sie eingeführt hatte.
Er hob seine Hand ebenfalls und sie verflocht ihre Finger mit seinen.
Eines wusste Anders inzwischen sicher: Anderen seine Träume
zu offenbaren, brachte neben der Enttäuschung, wenn die Illusion zerbarst,
eine besondere Last in Form von Scham mit sich. Kalte Duschen wollte er in
Abgeschiedenheit über sich ergehen lassen. Er tadelte sich selbst dafür und
hielt doch den Gedanken nicht aus, dass jemand anderer von seiner Niederlage
wusste. Renate forderte indessen wahre Gegenwärtigkeit. Sie ließ sich nicht
mit Floskeln abspeisen. Sie wollte Kontakt haben, wenn sie miteinander
sprachen, sie heftete ihre braunen Augen auf seine und suchte nach seiner
Seele.
Er gestand ihr, dass er davon träumte zu schreiben. Doch
anschließend fürchtete er sich vor den Konsequenzen. Nähe zu suchen und im
tiefsten Inneren das Ergebnis zu fürchten, dieses Gefühl war wie eine ewige
Blase an Anders’ Fuß. Aus diesem Grund sagte er ihr nicht die ganze
Wahrheit. Er wollte schreiben – ja. Aber der Autor Anders blieb sein
Geheimnis. Renate bekam die Version aufgetischt, dass er Journalist werden
wollte. Er wolle Reportagen schreiben, durch die Welt reisen, berühmte Leute
interviewen und bei den großen Ereignissen dabei sein.
Es gefiel Renate, dass er sich in Romane und Poesie
vertiefte. Sie selbst hatte dafür keine Zeit. Als Tochter eines Politikers war
sie dazu erzogen, Kultur zwar als wichtig, aber gleichwohl als eine
Luxusbeschäftigung anzusehen, der man in seiner Freizeit nachgehen sollte.
Renate war eine hart arbeitende Schülerin, die viel für die Schule tat.
Außerdem las sie Theorie-Bücher und politische Literatur, nahm an politischen
Treffen teil und fuhr mindestens einmal pro Woche zu einer Reitschule in
Lommedalen. Die verbleibende Zeit verbrachte sie mit Anders, und sie nahm
großen Anteil an den Büchern, die er las.
»Ich glaube, du bist verrückt. Es ist einfach nicht
richtig, andere Menschen umzubringen.«
»Nicht ich bin verrückt. Dieser Typ ist ein armer Student,
er ist jung und braucht das Geld, und die Alte ist reich und gemein.«
»Ja, und?«
»Auf jeden Fall hat der Fall viele Seiten. Die Gesetze sind
doch von Menschen gemacht. Die Gesetzgebung kann niemals alle möglichen
Situationen berücksichtigen. Jedes Verbrechen muss im Gesamtzusammenhang
beurteilt werden, auch Mord.«
Sie griff nach dem Buch und studierte den Umschlag.
»Lies es, du hast dafür alle Zeit der Welt.«
»Das schaffe ich nie.«
Er nahm ihr das Buch aus der Hand. »Dann kann ich es ja
fertig lesen und dir erzählen, wie es ausgeht.«
Sie war in der Jugendbewegung der Arbeiterpartei
aufgestiegen, war während des Sommers in einem Ferienlager auf Utøya gewesen
und pflegte Umgang mit allerhand Leuten, die zur Arbeiterpartei tendierten. Je
mehr sie über Geschichte und politische Philosophie lernte, desto mehr
entfaltete sie sich nach ihren eigenen Regeln. Früher oder später musste es
zu einer Auseinandersetzung kommen. Bei den Gesprächen am Mittagstisch nahm
Renate immer die Rolle der Opposition ein.
»Wenn die Regierung die Verteilung der Güter so sehr
befürwortet, warum profitieren denn dann die ganze Zeit nur die Reichen von
der Politik, die hierzulande gemacht wird?«
»Eine Anhebung des Reallohns um zehn Prozent, ist das nicht
profitabel?«
Da Renate kompromisslos auf der Suche nach der Wahrheit war
und überdies politischen Antworten, persönlicher Reife und intellektueller
Weiterentwicklung den Vorzug vor der Loyalität zur Partei gab, war sie auch
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