Schwarzes Gold Roman
gab noch
kurz vor der Ölkrise 1973 den Bau neuer Tankschiffe und Bohrinseln in Auftrag.
Als der Markt zusammenbrach, mussten mehrere Schiffe in Spennings Flotte direkt
in die Auflage gehen. Die Reederei bekam enorme Schlagseite, und leider gelang
es dem ehrenwerten Reeder nicht, den Kahn wieder flottzubekommen. Doch der alte
Krieger gibt sich nicht geschlagen. Die zum heutigen Tag eröffnete neue
Reederei Spenning AS besitzt bereits eine mehrere Schiffe umfassende Flotte.
Von einer Belegschaft von über 50 Angestellten sind nur noch eine Handvoll
übriggeblieben. Nach Information der Aftenposten hat Brede Gran, der junge
Komet, der zuletzt Direktor der Reederei war, gekündigt. Er ist in
Kalifornien, USA, im Bereich der Öltechnologie tätig.
Magazin Avanse, August 1978
Jetzt ist es also vorbei mit Spenning & Co. Das ist ja
eigentlich ein bisschen traurig, finden wir, die wir den alten Spenning samt
dem exklusiven Cognac und den fetten Zigarren, mit denen er sich schmückt,
mögen. Böse Zungen behaupten, dass der Löwe den Biss verlor, als er auf die
falschen Ratgeber hörte. Der Albtraum, der mit Schiffsbauaufträgen in
Millionenhöhe begann und wenige Jahre später seine Fortsetzung in
Billigverkäufen an afrikanische Piratenreedereien fand, ist endlich vorüber.
Brede Gran hat es gerade so geschafft, das Schiff zu verlassen, ehe es sank.
Wie eine Ratte ist er über den Atlantik geschwommen. Jetzt sitzt er da und
leckt sich die Wunden – was in etwa bedeutet, dass er Abendkurse in
Offshore-Handel besucht. Dem Hörensagen nach hat Gran sich bereits seine Opfer
im Golf von Mexiko ausgesucht. Doch das Gute daran ist, dass er hier in
Norwegen nicht mehr viel Unheil anrichten kann. Und wer behauptet, Georg
Spenning habe den Biss verloren, irrt, entgegnen wir. Wie vielen Konkursrittern
gelingt es, eine neue Firma mitsamt vollständiger Tankerflotte aus dem Hut zu
zaubern, noch ehe die Tinte auf den Papieren des Konkursverwalters getrocknet
ist? Gut gebrüllt, Löwe. Er sagt, wer Geld verloren habe, soll es
zurückbekommen. Und in diesem Punkt ist auf ihn Verlass. Wer etwas Gutes
erwartet, wird nicht klagen. Und von den norwegischen Behörden hat er
ebenfalls nichts zu befürchten. Sie sind nach wie vor wenig daran
interessiert, wem welche Bankschließfächer auf den Bahamas, auf Bermuda oder
Jersey oder in diesem Fall in Liberia gehören.
5
Stian war allein zu Hause. Es hatte sich herumgesprochen,
dass er sturmfreie Bude hatte. Von überallher waren die Leute gekommen. Einige
kannte er, von manchen hatte er gehört, viele hatte er noch nie gesehen. Man
saß auf dem Boden, an den Wänden, auf der Treppe, unter den Tischen. Im
Wohnzimmer wurde in voller Lautstärke Musik gespielt, eine Gang dunkler
Gestalten ließ eine Haschpfeife mit marokkanischem Haschisch kreisen. In der
Küche war eine Gruppe Mädchen damit beschäftigt, einen nächtlichen Imbiss
zuzubereiten. Stian hing mit dem Kopf in der Kloschüssel und kotzte. Anders
hatte zu Hause zum Aufwärmen zwei Pils getrunken und kam langsam in Stimmung.
Er setzte sich in den Kreis im Wohnzimmer – und nahm einen Zug von der
Pfeife, die herumgereicht wurde. Anders begriff nicht, was das Tolle an
Haschisch sein sollte. Er verstand den Rausch nicht. Das Einzige, was
passierte, war, dass er lachen musste. Aber er nahm das Ding und zog fest
daran. In der Ecke lief ein Fernseher. Auf den Philippinen hatte es eine
Flutwelle gegeben, und sie zeigten Bilder von einem Waldbrand auf Notodden. Ein
paar der Kiffer starrten fasziniert auf die bäumeverschlingenden Flammen und
murmelten: »Scheiße Mann, wie abgefahren!«
Anders erhob sich, als er im Flur ein bekanntes Gesicht
entdeckte. Vidar Doge lachte mit weit geöffnetem Mund, sein Hängeauge war rot
und entzündet. Ohne dass Anders wusste, wie es dazu gekommen war, stritten sie
über Musik. Vidar fand es gar nicht gut, dass Anders Pink Floyds Album
Wish you were here
gekauft hatte. Vidar Doge, der einäugige Bassist,
befand Anders’ Musikgeschmack für außerordentlich schlecht. »Die spielen
doch Zwölftakt-Blues, nur einfach unheimlich langsam. Kapierst du das nicht?«
Echte Musik, das waren Platten mit dem Mahavishnu Orchestra, meinte Vidar. John
McLaughlin, der Gitarrist, war einfach genial.
Anders begriff nicht, was an Zwölftakt-Blues so verkehrt
sein sollte. »Mir gefällt deine Musik einfach nicht. Das ist nur Stress. Kein
Feeling dabei.« »Feeling?
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