Schwarzes Gold Roman
Georg
Spenning über ein Vermögen im Ausland verfügen, muss die oberste
Konzernleitung – also Sie – davon gewusst haben.«
Lindeman ließ Messer und Gabel sinken. »Sie stellen hier
einen Haufen Hypothesen auf, Ruste. Ich werde ehrlich zu Ihnen sein. Ich habe
keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Ich habe meine Zeit bei Spenning & Co in
guter Erinnerung, es war eine schöne Zeit. Vor fünf Jahren habe ich das
Unternehmen verlassen.«
Ruste ließ seinen Blick durch das Lokal schweifen. »Nicht
gerade das Theatercafé, was?« Er lächelte kühl.
Lindeman schwieg.
»Dennoch suchen Sie sich einen Ort wie diesen aus, wenn ich
Sie einlade? Kann es sein, dass Sie Diskretion wünschen?«
»Ich stehe an der Spitze eines der sensibelsten
wirtschaftlichen Systeme, CBK Valuta. Ein Arbeitsessen mit einem
Sonderermittler der Polizei macht sich da nicht so gut – egal wie informell
Ihre Beweggründe für dieses Gespräch auch sein mögen.«
»Lindeman«, sagte Ruste mit Nachdruck und legte Messer und
Gabel ab. »Wir sprechen hier von möglichem Betrug – nicht nur an den
Unternehmen, die auf Kredit Spennings Schiffe gebaut haben –, wir sprechen
von Betrug am norwegischen Königreich. Mein Job ist lediglich aufzuklären,
was schon vor dem Konkurs passiert ist. Das ist ein mühsames Geschäft. Aber
die Ursache meines Einsatzes ist offensichtlich. Spenning & Co wurde nicht
von irgendwelchen Kreditoren in den Konkurs getrieben, Spenning hat selbst um
Schuldensanierung gebeten. Für alle, die bei der Firma noch Ausstände hatten,
sind enorme Werte verloren gegangen. Sollte der Konkursverwalter mit seiner
Annahme recht haben, dass außer den in der Sanierung behandelten Aktiva noch
weitere existieren, bedeutet das schlimmstenfalls – und ich betone, im
schlimmsten Fall, weil noch nichts davon aufgeklärt ist, das Ganze kann ja auf
Details in der Buchführung beruhen –, schlimmstenfalls also, dass wir hier
mit Unterschlagung im großen Stil zu tun haben. Im ganz großen Stil,
Lindeman.«
»Ich habe seit 1973 nichts mehr mit den Finanzgeschäften
des Unternehmens zu tun, und ich habe nicht die geringste Ahnung, was hinter
der Schuldensanierung stecken könnte. Aber selbst ich lese Zeitung. Und ich
verfolge die Ereignisse in der Welt. Die Reederei, aus der ich ausgeschieden
bin, verfügte möglicherweise mal über das größte Eigenkapital des Landes.
Das war zum Jahresende 1972. Seither fahre ich jedes Jahr im Sommer in
Holmestrand vorbei. Dort lagen Georg Spennings funkelnagelneue Tanker über
mehrere Jahre in der Auflage. Sie kamen direkt aus der Aker-Werft und wurden
unmittelbar außer Dienst gestellt. Ein Reeder, der gezwungen ist, Millionen
Kronen für Schiffsbau zu bezahlen, ohne mit den fertigen Schiffen Geld
verdienen zu können, verliert Geld. Das erklärt natürlich, warum Spenning
& Co so in Schieflage geraten ist. Und Sie behaupten, dass ein Reeder in
einer derartigen Situation sein Geld im Ausland versteckt? Das ist lächerlich.
Ich begreife nicht, ja ich verstehe nicht mal die Logik hinter dem Gedanken,
warum ein Reeder in seiner Situation sein Geld verstecken sollte.«
»Als ich zur Schule ging«, sagte Ruste, »haben wir
gelernt, dass Liberia die größte Schifffahrtsnation der Welt ist. Sind Sie
schon einmal in Liberia gewesen?«
Lindeman antwortete nicht.
»Ich bin dort gewesen«, sagte Ruste. »Liberia ist eines
der ärmsten Länder der Welt – das wissen Sie ja sicher. Die Hauptstadt,
Monrovia, sieht aus wie eine Mischung aus Slum und verlassenem Industriegebiet.
In der Broad Street Nummer 80 sitzen die Reedereien. Das ist eine windschiefe
Hütte mit zwei Stockwerken, die von einem Archivar verwaltet wird. Diese
Baracke ist die Briefkastenadresse von fünfzehntausend Reedereien.
Fünfzehntausend Reedereien und eine armselige Telefonleitung. So viel zur
Schifffahrtsnation Liberia. Nun, eine dieser Reedereien heißt O’Cannys,
haben Sie schon mal von O’Cannys gehört, Lindeman?«
Vebjørn antwortete nicht.
»Ich habe mit dem Archivar in der Broad Street gesprochen
und mich nach den Besitzverhältnissen umgehört. Es zeigte sich, oh Wunder,
dass O’Cannys im Besitz einer in Panama registrierten Reederei ist. Tja,
leider habe ich noch nicht mit dem Archivar in Panama sprechen können. Aber
ich habe es vor. Ich gehe davon aus, dass ich folgende Antwort bekommen werde:
Der Besitzer von O’Cannys ist eine Reederei, die einer anderen Reederei
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