Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
Vom Netzwerk:
verlassenen Nachbarzimmer ins Bad.
Dann war die tote Frau an der Reihe. Sie war steif. Er trug sie vor sich her
zur Tür. Ihre Brüste rammten den Türrahmen. Aus ihrem Körper entwichen Gase
und Gestank. Urin lief auf den Boden. Er musste sich übergeben. Doch er
unterdrückte den Übelkeitsanfall. Er hob sie erneut hoch. Es kamen noch mehr
Gase. Er krümmte sich wieder. Schluckte auch diesmal die Übelkeit wieder
herunter und hielt die Luft an. Dann schob er die Tote blitzschnell über den
Flur und hinein ins Nachbarzimmer. Er warf die Leiche aufs Bett. Er schwitzte.
Der Rest war in wenigen Minuten erledigt. Er tauschte die Laken, er tauschte
die Matratzen, legte die Frau auf das nass gepinkelte Betttuch. Schließlich
ließ er die Tür ins Schloss fallen und war in der nächsten Sekunde wieder in
Vebjørns Zimmer. Er überprüfte alles, suchte nach Spuren. Unter dem
Nachttisch fand er zwei billige Ohrringe, einen angebrochenen Lippenstift unter
dem Bett. Er warf die Sachen aus dem Fenster. Auf dem Boden lagen noch mehr
leere Flaschen. Whisky, Cognac, Brun Bitter. Wie viel hatte dieser Idiot
getrunken? Erling sammelte die Flaschen auf und warf sie ebenfalls aus dem
Fenster.
    Mit offenem Mund blieb er stehen. Vebjørn und die Hure
mussten ein ziemlich wildes Fest gefeiert haben. Nachdem Vebjørn eingeschlafen
war, hatte sie sich vermutlich einen Schuss gesetzt und sich ins Bett gelegt.
Dort war sie eingeschlafen. Aber Vebjørn, das Wrack, wusste von all dem
nichts.
    Erling entdeckte sein Gesicht im Spiegel.
    Vebjørn Lindeman, dachte er, ich glaube, ich hab dich an den
Eiern.
    Er nahm den Telefonhörer ab und rief in seinem Zimmer an.
    »Vebjørn?«
    »Bist du das, Erling?«
    »Ja, du kannst dich entspannen, Vebjørn. Onkel Erling hat
klar Schiff gemacht.«

11
    Per Ole verbrachte eine schöne Zeit an der Handelshochschule
in St. Gallen. Er wohnte in einem braun geteerten Holzhaus mit Aussicht. An der
Fassade zogen sich zwei Balkone entlang, geschmückt mit blühenden Geranien
und Rosen, die sich in einem Farb-Crescendo über das Geländer ergossen.
Hinter dem Haus erhoben sich die Berge zum Himmel. Es hätte das Motiv aus
einem Reisekatalog sein können. Jeden Moment hätte ein Mann in Lederhosen und
Hut mit Gamsbart über die Wiesen herunterkommen können, am Strick eine Kuh
hinter sich herführend. Die Wirtin des Hauses war eine mollige Witwe von
zweiundsechzig Jahren. Die Blumen waren ihre große Leidenschaft, sie goss,
rupfte und zupfte den lieben langen Tag daran. Per Ole bewohnte im zweiten
Stock ein Zimmer mit Bad. Wie eine Glucke sorgte sie für ihn und servierte ihm
Käse und Brot, kochte ihm Kaffee – türkischen Kaffee – den Per Ole noch
nie zuvor probiert hatte, er war vollmundig, stark und aromatisch und wurde aus
kleinen Tassen getrunken. Er stimmte allem zu, was die Witwe sagte. Abends
stampfte sie entweder mit einem Bier oder mit warmer Milch und Butterbroten die
Treppe hinauf und in sein Zimmer. Per Ole bedankte sich und lächelte scheu.
Jeden Abend machte er seine Hausarbeiten, jedoch nicht aus Arbeitsdisziplin
oder Zielstrebigkeit. Es lag ihm in den Genen. Wirtschaftstheorie war für ihn
wie Holz für Termiten. Er nahm alles von allein in sich auf: die Anwendung
verschiedener Formeln, die Berechnung von Alternativkosten, Effizienzanalysen,
die Berechnung nomineller oder effektiver Zinssätze, den Bedarf für
Arbeitskapital bei Firmenneugründungen. Er lernte Statistik,
Wahrscheinlichkeitsrechnung, Regressionsanalyse, Fortschreibung von Prognosen
und weiterführbaren Tendenzen, zum Beispiel das Bildungsniveau im Westen
verglichen mit dem der verschiedenen Entwicklungsländer, Prognosen für den
Stromverbrauch in großen Städten, Bevölkerungswachstum, Prognosen für
Gehaltsentwicklung. Aber Per Oles Lieblingsfach war Deckungsbeitragsrechnung
mit Tabellenkalkulation. Ihm lag die Systematik, die Übersichtlichkeit und die
Tatsache, den Geldfluss in unterschiedliche Ressourcen kontrollieren zu
können: die Art, wie man Zahlen vom Kredit ins Debet schrieb, wie man
Zwischenkonten einrichtete, wie man zunächst das eine, dann das andere Konto
abschloss - arbeitendes Kapital, direkte Materialkosten, direkter Lohn,
Verkaufs- und Verwaltungskosten. Er schrieb die Zahlen fein säuberlich, mit
ungewöhnlich schöner und formvollendeter Schrift nieder, setzte zwei Striche
unter jedes abgeschlossene Konto, zeichnete eine kleine Linie mit

Weitere Kostenlose Bücher