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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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zu stellen, aber er konnte sie nicht völlig ignorieren. Sie wussten, wer er war: Seine dunkelbraune Haut und die weißen, in sein Haar eingeflochtenen Muschelschalen machten ihn in ihrer Welt so einzigartig, wie er es in der Sonnenkuppel gewesen war. Der Verbrannte Ritter, größter Kä mpfer der Celestianer, war ein Gefangener geworden, den man zu ihrer Erheiterung vorführte. Zorn und Scham, ineinander verflochten, loderten heiß in seinem Herzen, aber er hielt das Gesicht so starr wie Stein.
    Einer der Baoziten rammte dem Ritter im Vorbeigehen einen Ellbogen in die Rippen. Kelland versuchte, sich um die eigene Achse zu drehen, und streckte hastig einen Arm aus, um sich zu fangen, aber war zu langsam, zu schwach nach einer so langen Zeit in der Zelle. Er prallte heftig mit dem Kopf gegen die Wand. Der Schmerz blendete ihn. Blut lief ihm über die Wange. Er stolperte und ging hilflos auf den Stufen in die Knie.
    Narbengesicht trat zwischen sie. Er stieß mit seiner Fackel nach Kellands Angreifer, als wehre er einen Wolf ab. »Das reicht! Die Spinne will ihn sehen, und sie will ihn nicht mit einer zu Brei geschlagenen Gesichtshälfte sehen.«
    »So ist er wohl nicht hübsch genug für ihr Bett, wie?«, höhnte der Baozite, aber er wich zurück.
    »Sie macht es einfach gern selbst«, sagte einer seiner Gefährten unter lautem Gelächter, und sie gingen davon.
    Nachdem sie weg waren, schob Kelland sich an der Mauer hoch. Wo er gegen die Steine geprallt war, zeigte sich kein feuchter Fleck. Er hielt sich einen Ärmel an die Schläfe und versuchte dadurch, das Pochen in seinem Kopf zu beruhigen. Narbengesicht beobachtete ihn leidenschaftslos und machte keine Anstalten zu helfen. Aber er gab ein langsameres Tempo vor, bis sie am oberen Treppenabsatz angelangt waren, und auf den Stufen hielt er sich zwischen Kelland und den Baoziten.
    »Danke«, murmelte Kelland, als sie den Treppenabsatz erreichten.
    Narbengesicht bedachte ihn mit einem undeutbaren Blick. Der glänzende Striemen seiner Narbe dehnte sich, als er den Kiefer bewegte. »Sie will dich, also wird sie dich bekommen«, sagte er, »und ich weiß nicht genau, ob du mir dafür danken solltest.«
    Kelland nickte und bereute es sofort, als die Flamme der Fackel vor seinen Augen verschwamm. Für den Rest des Weges folgte er dem Soldaten einfach und konzentrierte sich auf die ungeheuerliche Aufgabe, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nach einer Ewigkeit steiler, grauer Stufen schloss Narbengesicht eine gewaltige Holztür auf und führte ihn einen weiteren Flur entlang.
    Die Luft hier oben war sauberer. Kelland bemerkte die Veränderung trotz seiner Benommenheit. In den Kerkern stank es nach Exkrementen und Elend; in den Gemeinschaftsräumen war die Luft zum Schneiden dick von den Gerüchen nach alten Binsen, ungewaschenen Leibern und saurem Bier. Dieser Flur war bei Weitem stiller, und in der Luft lag nur ein Hauch von Holzrauch und süßer Kiefer.
    Ein dicker Eichenbalken, dicker als Kellands Arm und mit eisernen Halterungen, verriegelte die erste Tür, die sie erreichten. Über die ganze Länge hinweg zeigten sich spinnenförmige Einlegearbeiten aus einem glanzlosen grauen Metall. Narbengesicht hob den Balken an. Er ächzte unter seinem Gewicht und ließ das hintere Ende zu Boden gleiten. Dann zog er die Tür auf und hielt sie mit einem Stiefel offen. »Du wirst hier warten.«
    »Eine weitere Zelle?«
    »Ein Gästezimmer.«
    »Die Gastfreundschaft Eurer Herrin wärmt mir das Herz.« Trotzdem, er war zu schwach zum Kämpfen, und es bestand kein Grund, seine Würde wegen einer so belanglosen Zänkerei zu verlieren. Kelland trat ein.
    Die Tür schloss sich hinter ihm. Er hörte das Scharren von Holz auf Stein, die gedämpften Flüche des Soldaten und das zweifache dumpfe Geräusch, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite, als Narbengesicht den Balken mühsam zurück in seine Halterung schob. Aber diese Geräusche drangen kaum zu ihm durch, denn der Raum war ein reines Geschenk der Hoffnung.
    Er war sauber. Das allein war schon ein Geschenk. In dem Gästezimmer standen ein Bett mit frischer Leinenwäsche, außerdem ein Teller mit Käse, getrockneten Pflaumen und frischem Brot. Daneben befand sich eine Waschschüssel mit Bürste, Spiegel und Rasierklinge. Der Luxus – die Sauberkeit – war unvorstellbar, aber all das verblasste neben dem größten Segen.
    Fenster. Winzig, hoch und vergittert, aber offen für Licht.
    Es war kurz vor Sonnenaufgang. Er sah die

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