Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
aber eine einzige Seite hätte ausgereicht. Tod in der Schlacht, selbst Tod unter den Händen von Baoziten, war eine Sache. Wahnsinn und Monstrosität war eine ganz andere. Nichts, was die Baoziten taten, ließ sich mit den Gräueln vergleichen, die Maols Opfer ihren Familien und sich selbst antaten.
Kelland nickte. Er legte eine Hand auf ihre und fuhr fort: »Wenn wir Duradh Mal so lassen, wie es ist, wird früher oder später wieder jemand wie Gethel seine Verderbtheit entfesseln. Diesmal hatten wir Glück; wir konnten den Wahnsinn bannen, bevor er sich über die Berge hinaus ausbreitete. Trotzdem hat er Cardental zerstört und bedroht Cailan. Wir sollten Schlimmeres erwarten, falls es abermals geschieht. Beim nächsten Mal werden wir vielleicht erst dann begreifen, dass die Siegel gebrochen wurden, wenn ganz Calantyr fällt.«
»Aha. Ihr wollt das also tun, weil es einfacher ist, die Baoziten im Auge zu behalten?«
»Einfacher und weniger gefährlich. Baoziten sind Soldaten. Maol ist eine Seuche.«
»Ich wünschte, ich könnte Eure Gewissheit teilen«, entgegnete der Hohe Solaros. »Es gibt etwas in Ang’duradh, das sie wollen und das über die Festung selbst hinausgeht. Davon bin ich überzeugt.«
»Aurandane?«, fragte Bitharn. Aber sobald ihr der Name über die Lippen gekommen war, wusste sie, dass es nicht stimmte. Malentir hatte ihnen das Schwert überlassen, obwohl er es vor oder nach Gethels Tod hätte an sich nehmen können.
»Vielleicht«, sagte Thierras, obwohl er es offensichtlich für ebenso unwahrscheinlich hielt wie sie. »In den letzten Jahren haben baozitische Soldaten Erkundigungen bei Gelehrten, in Bibliotheken und bei Buchhändlern von Aluvair bis Seewacht eingeholt und alles gekauft oder kopiert, was behauptet, von Ang’arta und seinem Sturz zu handeln. Sie sind relativ diskret zu Werke gegangen, aber ein ungehobelter Soldat, der sich für diese historische Epoche interessiert, ist ein ungewöhnlicher Buchkäufer.«
»Heimlichtuerei kann ihnen nicht so wichtig gewesen sein«, meinte Kelland, »sonst hätten sie die Dornen benutzt, und wir hätten nie erfahren, wer sie waren.«
Thierras schüttelte den Kopf. »Die Dornen waren anderweitig beschäftigt. Sie haben Jagd auf unsere Gesegneten gemacht. Ihr wart nicht der erste, den sie überfallen haben. Ihr wart nur der erste, den sie ergriffen haben.«
»Warum?«, fragte Bitharn im gleichen Augenblick, als Kelland sagte: »Wer?«
»Isleyn Silberlocke, obwohl er ihrer Falle entfliehen konnte. Oralia von Weißmeer, die lieber gestorben ist, als sich gefangen nehmen zu lassen. Riulan vom See des Ritters, Tanarroc Hügelwandler. Es gab noch andere. Sie versuchen es seit der Schlacht von Thelyandfurt.« Thierras wandte sich an Bitharn. »Eure Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Ursprünglich dachte ich, dass sie unsere Gesegneten verhören oder sie vielleicht opfern wollten. Einige Zauber sind mächtiger, wenn man sie mit heiligem Blut schreibt. Aber Kelland wurde weder ausgefragt noch gefoltert, und jetzt frage ich mich, ob nicht die ganze Zeit über das Ziel die Rückeroberung von Duradh Mal war. Wenn ich die Situation richtig verstehe, begannen die Überfälle ungefähr zu der Zeit, da Malentir bewusst wurde, dass Maol hinter dem Sturz der Festung stand.«
»Was ist, wenn es so war?«, hakte Kelland nach. »Wenn die Rückeroberung Ang’duradhs tatsächlich das ist, was sie wollen, werden sie weiter Jagd auf unsere Gesegneten machen, bis sie einen haben. Es ist besser, wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten – und das mit offenen Augen. Indem wir in Duradh Mal an ihrer Seite arbeiten, werden wir mehr über die Stärke und Form ihrer Magie erfahren, bevor sie gegen uns gerichtet wird. Die Chance ist zu wertvoll, um sie zu vergeuden.«
»Ihr geht davon aus, dass sie Euch lebend zurückkehren lassen, um etwas zu berichten«, sagte Thierras.
»Der Dorn hätte uns in Schattenfall töten können. Stattdessen hat er uns das Leben gerettet.«
Thierras zuckte die Achseln und füllte seine Tasse mit lauwarmem Tee. »Weil er Euch brauchte. Ihr habt es mir selbst erzählt; er lag im Sterben, als Ihr diesen Ort verlassen habt. Einzig Eure Gebete haben verhindert, dass Maol ihn holte.«
»Er wird uns auch in Duradh Mal brauchen«, gab Kelland zurück. »Ihr habt mich gelehrt, die Werkzeuge zu benutzen, die ich habe. Dies ist eine Chance. Wir können den Dorn beobachten, von ihm lernen und Schwächen entdecken, die wir andernfalls niemals
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