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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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hatte. Erstaunt ging Kelland zum Spiegel und sah ein unvertrautes Gesicht seinen Blick erwidern: harte Augen und Stoppelbart – und hell. Er schob seinen Umhang zurück und öffnete den Kragen seines Kasacks. Wo seine Haut vor der Sonne beschirmt war, war sie fast weiß.
    Weiß und gebrandmarkt mit dem Emblem einer erhobenen Faust in einem Panzerhandschuh.
    »Ihr habt einen Baoziten aus mir gemacht«, sagte er und hielt dann beim Klang seiner durch den Zauber veränderten Stimme inne. Sie war rauer und tiefer als seine eigene, eine Stimme, die selten freundlich gesprochen hatte und deren Gebete wie Flüche klingen würden. Eine baozitische Stimme.
    Die Spinne zuckte ungerührt die Achseln. »Er war rebellisch. Sein Leben war verwirkt, und sein Tod ist nicht zu betrauern. Wenn ich nicht eingegriffen hätte, hätte mein Herr und Gemahl ihn ohnehin getötet. Stattdessen dient er als Exempel, und Ihr habt eine Tarnung.«
    »Wie umsichtig.«
    »Ja.« Sie goss das restliche Blut aus der Flasche in seine Waschschüssel, dann spülte sie das Glas aus, drehte den Verschluss wieder zu und steckte das Fläschchen in ihren Ärmel. »Kommt. Die Nacht verblasst.«
    Er biss sich auf die Zunge. Sie war nah genug, dass der silberne Fuchspelz auf ihren Ärmeln über seine Handgelenke strich; der Duft von Myrrhe und Weihrauch haftete ihrem Haar an. Es war nicht länger reizvoll.
    Die Spinne stimmte einen neuen Gesang an. Leise und zischend, in einer Sprache, die nicht für menschliche Zungen gemacht war, sondern zu den dunkelsten Teilen seiner Seele zu sprechen schien. Die Schatten sammelten sich um sie herum, und mit der Dunkelheit kam ein Hauch unirdischer Kälte. Ihre Hand schloss sich um seinen Unterarm, und Schwärze verschlang ihn.
    Eine unbestimmbare Zeit später verriet ihm das sanfte Licht der Sterne, dass er zurück in der Welt der Lebenden war, zurück unter freiem Himmel. Ein kühler Wind wehte den Geruch des Meeres heran und den ranzigen Gestank nach Schlick und fauligem Fisch. Er hörte das Plätschern von Wellen im Hafen und das Knarren der Ankertaue. Das Wasser war jedoch nicht zu sehen, und die Gebäude, deren Silhouetten er vor sich sah, standen dicht an dicht und schienen zusammenzusacken; Salzkrusten bedeckten ihre Mauern wie Schorf. Im Norden, über ihren Dächern, erhob sich vor dem Hintergrund des Himmels leuchtend die Himmelsnadel.
    Er war in Cailan. Im schlimmsten Teil der Stadt, aber trotzdem war die Stadt für den größten Teil seines Lebens seine Heimat gewesen oder etwas, das dem nahekam. Das Wissen nahm ihm eine Last der Verzweiflung von der Seele. Er hatte bis jetzt niemals wirklich geglaubt, dass die Dornen ihn freilassen würden.
    Avele bewegte sich mit vollkommener Zuversicht durch das Labyrinth der Docks von Cailan. Bisweilen erhaschte Kelland in den Gassen einen Blick auf Gestalten, die, kaum zu erkennen, hastig zurückwichen, aber niemand stellte sich ihnen in den Weg. Niemand ließ sich blicken. Das verwunderte ihn. Die Spinne wirkte mit ihren Juwelen und Pelzen lächerlich deplatziert, und anders als er selbst war sie nicht so ungewöhnlich, dass Wegelagerer sie aus einiger Entfernung erkannt hätten und zurückgewichen wären. Zu dieser Stunde hätten ein Dutzend Bettler und doppelt so viele Räuber über eine unbewaffnete Frau in kostbaren Kleidern herfallen sollen, bevor sie die erste Ecke erreicht hatte.
    Stattdessen herrschte Stille auf den Straßen. Er sah keine lebende Seele.
    »Haben sie solche Angst vor diesem Gesicht?«, fragte er, als sie vor einem Haus mit durchgesacktem Dach stehen blieb.
    »Nein. Sie halten uns für eine Jagdgesellschaft.«
    »Was?«
    »Manchmal, wenn uns die Körper ausgehen, kommen wir in die Elendsviertel. Eine Dorne, ein Soldat oder zwei. Wir nehmen so viele mit, wie man leicht transportieren kann. Für gewöhnlich bevorzugen wir Abschaum, aber wenn jemand so töricht sein will und sich selbst anbietet – wer sind wir, das Angebot auszuschlagen? Früher war es einfacher. Seither haben die Schlauen dazugelernt, und die Dummen sind verschwunden.«
    »Ihr kommt den ganzen Weg bis nach Cailan, um Menschen für Eure Opfer zu holen? Warum?«
    »Es missfällt mir, die Nützlichen zu töten. Es schwächt das Herrschaftsgebiet meines Lords. Oh, bisweilen gibt es Veselde , die ihren Platz vergessen, oder Soldaten, die ungehorsam geworden sind … aber meistens erfüllen die Leute ihre Pflichten und stärken damit die Herrschaft meines Lords. Warum sollten wir ihnen dann

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