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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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Stirn, nachdem sie ihre Kerze in einen Alkoven mit Blick auf den Tisch gestellt hatte. Eine Blutspur folgte ihrer Berührung, obwohl sie keine Klinge in der Hand hatte. »Warum? Weil Brielle, was ihr an Weisheit fehlt – und das ist kein geringer Mangel –, an Eifer wettzumachen sucht. Da ich ihr nie aufgetragen habe, unseren Gast nicht anzufassen, ist es wenig überraschend, dass sie Augenblumen trägt.«
    Darauf hatte er keine Antwort. »Deswegen habt Ihr mich hierhergebracht?«
    »Ja.« Avele zog die Hände fort und faltete sie hinter dem Rücken, wobei sie dunkelrote Flecken auf ihrer Robe zurückließ. »Ich habe die Augenblume nicht erwartet, aber sie sollten einem Verhör nicht im Wege stehen. Der Name der Frau ist Jora. Sie behauptet, Celestianerin zu sein, obwohl Ihr da vielleicht anderer Meinung seid. Wir haben sie dabei ertappt, wie sie Kinder von den Straßen stahl.«
    »Ihr habt ihr nicht dafür gedankt, dass sie Euch geholfen hat, die Gossen zu säubern?« Es lag ein wenig Humor in der Frage, aber schwarzer Humor war besser als Wut. Welches Spiel die Spinne auch spielte, er brauchte seinen ganzen Verstand, um ihr etwas entgegenzusetzen. Wut würde ihn nur zu Torheiten verleiten.
    Sie schüttelte den Kopf. »Hört ihr zu! Hört zu, und Ihr werdet verstehen.«
    Das tat er. Zuerst hörte er nichts. Die Frau hatte geschrien, noch lange nachdem sie heiser geworden war. Ihr Heulen war zu einer Pantomime geworden, ohne Laut. Aber während er dort stand und sich konzentrierte, wurde Kelland noch etwas bewusst: Ein schwaches, unangenehmes Gefühl, knapp unterhalb der Hörschwelle, wie das Summen von tausend unsichtbaren Bienen oder das Schwärmen von schwarzen Fliegen über einem Schlachtfeld. Die Vibration strich über seine Haut und pulsierte unter seinen Nägeln, aufreizend wie eine juckende Stelle, die man nicht erreichen konnte.
    Maol. Kelland zog sich abrupt zurück. Das summende Gefühl verschwand, aber er fühlte sich noch immer unsauber. Die Unreinheit, welche die zerlumpte Frau verströmte, unterschied sich von der Unreinheit der Spinne, wie sich ein misstönendes Geheul von einem Lied unterschied, das ein Meister auf seiner Harfe spielte … Aber er wusste, dass das, was in beider Seelen lag, der Hauch des göttlich Bösen war.
    Diese schrille Dissonanz war unverkennbar. Der Wahnsinnige Gott hatte die Seele dieser Frau für sich eingefordert. »Sie ist keine Celestianerin.«
    »Eure Jahre der Ausbildung waren nicht vergeudet, wie ich sehe.« Aveles Stimme hatte einen Unterton, ätzend wie Säure. »Nein, sie ist keine Celestianerin, aber sie gibt sich als eine aus. Sie glaubt, eine zu sein. Fragt sie! Wenn Ihr ihrer Antwort auch nur einen Hauch von Vernunft abringen könnt, so werdet Ihr das hören. Das wollte ich Euch hier zeigen.«
    Kelland runzelte die Stirn. Die Dornen konnten nicht lügen, aber was sie sagten, war nicht immer die Wahrheit, nicht so, wie eine vernünftige Seele sie auffassen würde.
    Er legte die Hände auf den blutbefleckten Tisch und nahm den Kopf der Frau zwischen die Handflächen, dann griff er nach Celestias Macht. Für einen Moment flackerte Zweifel in ihm auf – hatte sein Versagen in Tarnebrück seine Verbindung zum Göttlichen durchtrennt? –, und das Gebet wollte nicht kommen. Er hielt inne, konzentrierte sich und begann von Neuem mit der Beschwörung. Diesmal erfüllte ihn die herrliche Gegenwart seiner Göttin, die zugleich demütig machte und furchterregend war. So süß der Anblick der Sonne gewesen war, er war nichts im Vergleich zur Rückkehr der Magie der Strahlenden. Die vertrauten Worte des Gebetes leiteten seine Konzentration und erlaubten ihm, die formlose Magie wie Sonnenlicht durch ein Glas zu sammeln und zu formen.
    Heiliges Licht umgab Jora. Es war von einem nebligen Blauviolett, zerbrechlich wie der letzte Schein der Dämmerung und fahler, als Kelland erwartet hatte. Hatte seine Gefangenschaft ihn so sehr geschwächt? Oder wurde seine Magie noch immer von Zweifel kleingehalten? Dann sah er, dass die Spinne ihn beobachtete, und verstand. Ihre Macht war so viel größer als seine; sie hielt ihn zurück.
    Sie hatte jedoch kein Wort gesprochen, und sie regte sich nicht. Sein Unbehagen wuchs. Es war möglich, Magie ohne ein Wort oder eine Geste heraufzubeschwören, aber es war nicht leicht, und die Schwierigkeit wuchs ungeheuerlich mit der Kraft des Zaubers. Magie, wie sie von den Göttern geschenkt wurde, war amorph wie Wasser. Gebete erschufen ein

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