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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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schob seinen Schal ein wenig zu spät hin und her, um das feuchte Nass fernzuhalten. »Warum sind wir nicht mit einem Lastkahn nach Cardental gefahren?«
    »Bassinos sagte, es sei zu früh im Jahr«, antwortete Asharre. »Das Eis auf dem Fluss ist noch nicht geschmolzen. Er meinte, eine Reise über Land sei ungefährlicher.«
    »Ich würde lieber mit Eis fertigwerden als mit den Erinnerungen toter Männer.«
    »Es gibt Schlimmeres als Eis auf dem Fluss.« Colison drehte den Zahnstocher herum und begann am anderen Ende zu kauen. »Menschen sind von diesen Lastkähnen verschwunden. Ganze Mannschaften. Irgendjemand kommt den Fluss entlang und findet den Kahn führerlos auf dem Wasser treibend oder am Ufer gestrandet. Die Stangen unbeschädigt, die Zugpferde unverletzt, die Frachtsiegel unberührt, aber keine Menschenseele zu sehen. Keine Spuren von Kämpfen. Sie sind einfach … weg.«
    » Oh, jetzt versucht Ihr bloß, uns Angst zu machen«, beschwert e sich Heradion. »Bassinos sagte, es sei den ganzen Winter über friedlich dort. Selbst die Banditen geben Ruhe.«
    »Es gibt schlimmere Dinge als Angst. Torheit zum Beispiel.« Colison spuckte den Zahnstocher unter die Wagenräder. »Wenn Ihr mich fragt, geben die Banditen nur deshalb Ruhe, weil sie die Ersten waren, die verschwunden sind, bevor das, was auch immer dort draußen ist, damit anfing, die Besatzungen von den Lastkähnen zu holen. Aber Ihr habt recht, Bassinos weiß nichts darüber. Wer würde ihm eine solche Geschichte überbringen? ›Ich höre, Leute verschwinden von den Lastkähnen, wahrscheinlich nehmen Geister sie mit. Vielleicht ist es der wahnsinnige Wind.‹ Bring ihm diese Geschichte, und er wird höchstwahrscheinlich glauben, der alte Colison hat zu viel Zeit auf dem Berg verbracht, und sein Gehirn ist ihm eingefroren. Dann gibt es keine Karawanen mehr für mich, meine Lalinda läuft mit einem Gewürzhändler davon, und mir bleibt nur ein leeres Haus, in dem ich wässrigen Haferbrei esse und mir wünsche, ich hätte den Mund gehalten.« Er kicherte. »Nein, Bassinos weiß es nicht. Für einen solchen Mann braucht man Beweise. Ich habe keine. Ich erzähle Euch das nur, weil Ihr mich bereits bezahlt habt. Sobald wir in Cardental sind, war es das für uns. Einmalige Aufträge erlauben es einem Mann, freier zu sprechen.«
    »Wenn Ihr so viel Gefallen an Geschichten findet, dann will ich Euch eine erzählen«, sagte Heradion und begann eine weitschweifige Geschichte über zwei Kinder, die sich im Wald verirrt hatten. Asharre hörte nicht mehr zu. Diese Geschichte kannte sie bereits. Ihr einziger Sinn bestand darin zu zeigen, wie viel Zeit der Erzähler mit der Erzählung verschwenden konnte; sie glaubte nicht, dass es jemals ein richtiges Ende gab. Heradion rächte sich damit an jemandem, der ihm am Lagerfeuer eine übermäßig langatmige Geschichte aufgetischt hatte. Als er das letzte Mal damit begonnen hatte, hatte Evenna auch deswegen das Kerngehäuse eines Apfels nach ihm geworfen.
    Als sie sich langsam wünschte, sie hätte selbst ein Kerngehäuse gehabt, kam Evenna mit irgendwas in den Händen auf ihren Wagen zugetrabt. Grüne Blätter lugten zwischen ihren Fingern hervor, und kiesige Erde rann ihr aus den Händen. Eine weitere Pflanze.
    Die junge Erleuchtete sammelte, seitdem sie Cailan verlassen hatten, seltsame Kräuter und Blätter. Einige davon presste sie in einem Buch zwischen Seiten aus Pergament, einige grub sie aus und pflanzte sie in Eimer mit Sand, von anderen fertigte sie lediglich Zeichnungen in einem zweiten Buch an und warf die Pflanzen weg, nachdem sie ihre Wurzeln, ihre Blüten und Stiele getreulich wiedergegeben hatte. Obwohl der Frühling die Berge noch kaum berührt hatte, hatte Evenna bereits eine ansehnliche Ansammlung von Pflanzen und Zeichnungen angehäuft. In ihrem eigenen Wagen hatte sie keinen Platz mehr dafür, also hatte sie begonnen, sie in Asharres Wagen unterzubringen.
    »Was ist denn das?«, fragte Asharre, dankbar für eine Ablenkung von der sinnlosen Geschichte. Colison sah neugierig herüber. Als Heradion feststellte, dass er sein Publikum verloren hatte, verfiel er zum Glück in mürrisches Schweigen.
    »Ein Schneeglöckchen. Wo ist mein Ersatzbehälter?«
    »Die Ersatzbehälter sind dir ausgegangen«, informierte Heradion sie. »Sie sind dir schon längst ausgegangen. Das letzte Mal musstest du dir einen Becher von mir borgen. Meine Schwester hat diesen Becher für mich gemacht. Wann bekomme ich ihn

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