Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
Vom Netzwerk:
für den Fall des Falles.«
    Er öffnete den Frettchenkäfig. Das Tier beobachtete sie mit schwarzen, runden Augen. Colison, der sich langsam bewegte, um es nicht zu erschrecken, stellte die Schale in den Käfig und verriegelte die Tür.
    Das Frettchen leckte das Wasser auf, zunächst zaghaft, aber dann vergaß es seine Furcht schnell. Seine kleine, rosige Zunge schoss immer schneller und schneller aus dem Maul. Schon bald war alles Wasser getrunken, und das Frettchen leckte die trockene Schale ab. Es suchte in seinen Schnurrhaaren nach dem letzten Tröpfchen, dann leckte es sich die Pfoten ab und suchte mehr.
    »Was stimmt nicht mit ihm?«, flüsterte Evenna.
    Das Frettchen, das sich eben noch die Pfoten geleckt hatte, benagte sie jetzt. Bald durchdrangen seine scharfen, kleinen Zähne die Haut. Als es Blut schmeckte, wurde das Tier rasend. Es schlug um sich und schnappte in seinem Käfig herum, biss sich in die Flanken und riss an seinem Bauch. Seine Eingeweide schlangen sich um einen Fuß; seine Zähne kratzten über nackte Rippen. Eine Hinterpfote traf eine Arterie am Hals des Tieres und riss sie auf. Blut spritzte rhythmisch gegen den Käfig, aber das hielt die Wut des Tiers nicht auf; während ihm das Leben aus dem Hals rann, schien der Leib des Tieres von blanker Wut erfüllt zu sein. Es kreischte hoch und schrill, ein Laut, der keinen Schmerz ausdrückte – nur Hunger und etwas, das Hass war, da war Asharre sich fast sicher.
    Binnen weniger Augenblicke war das Tier tot. Es hatte sich selbst zerrissen und sah wie ein nasser, zusammengeknüllter Lappen aus. Mit aschfahlem Gesicht wischte Asharre sich einen Spritzer des Bluts von ihrem Stiefel.
    Colison bedeckte den Käfig mit einem ausgefransten Leinentuch. Die Ecken, die den Käfigboden berührten, nahmen langsam einen hässlichen Rotton an.
    »Dann ist es also wahr«, sagte der Händler. »Es ist Wahnsinn im Wasser.«
    »Wo habt Ihr das gehört?«, wollte Heradion wissen.
    »Im letzten Herbst hat eine Karawane für einige Tage am Yelannes-Pass festgesessen. Nicht ungewöhnlich, wenn man so spät im Jahr aufbricht, und nicht allzu gefährlich, wenn man darauf vorbereitet und der Winter noch nicht ganz hereingebrochen ist. Man verliert vielleicht einige Tiere, aber die Karawane sollte durchkommen. Horas Kurzohr war Karawanenführer. Ich kannte ihn; er war nicht der Typ, der dumme Fehler beging. Er ließ seine Leute geschmolzenen Schnee trinken, während sie auf einen Wetterumschwung warteten. Als die nächste Karawane sie fand, standen die Eimer auf den Feuergruben, und das Wasser war bis zum Boden durchgefroren.
    Mein Cousin Torvud führte seine Karawane einige Wochen später über den Pass. Zu dieser Zeit hatte sich der Sturm gelegt. Er fand Kurzohrs Leute tot auf. Alle. Einige lagen auf den Ladeflächen der Wagen und hatten sich mit verknoteten Hemden selbst erwürgt, andere waren in den Schnee gelaufen und hatten sich der Kälte in die Arme geworfen. Mit den Tieren war es nicht besser. Ochsen hatten einander die Hörner in die Rippen gestoßen, Hunde sich auf ihre Herren gestürzt … es war eine blutige Schweinerei, erzählte Torvud. So blutig, dass die meisten Leute, die davon hörten, es nicht geglaubt haben. Es klang wie eine wilde Geschichte des Wahnsinnigen Windes. Ich habe es nicht geglaubt, bis jetzt, und es war mein eigener Cousin, der es mir erzählt hat.«
    »Ihr habt eine Warnung gerufen, als ich das Schneeglöckchen gefunden hatte«, sagte Evenna. »Warum?«
    »Verdorbene Pflanzen bedeuten unsauberes Wasser«, antwortete Colison. »Das eine könnte das andere verursachen oder auch nicht, aber man hat mir erzählt, man würde sie Seite an Seite vorfinden. Was anscheinend stimmt. Dieses Gras auf der Lichtung? Sieht aus der Entfernung gut aus, aber sämtliche seiner Wurzeln sind kleine, verkrümmte Knollen, genau wie bei der Blume, die Ihr auf der Straße ausgegraben habt. Bettlerhand. Lasst einen Ochsen das fressen, und Ihr könntet ihm geradeso gut eigenhändig die Kehle durchschneiden.«
    »Warum sollte ein Tier so viel davon fressen?«, fragte Evenna verwirrt. »Bettlerhand schmeckt schrecklich.«
    »Wirklich?« Colison schob seine Mütze hoch und kratzte sich am Kopf. »Da habe ich was ganz anderes gehört. Torvud sagte, Tiere, die einen Bissen davon fressen, würden so wahnsinnig werden wie dieses Frettchen von dem Wasser. Sie werden fressen, bis nichts mehr übrig ist, und bis aufs Blut miteinander um den letzten Bissen

Weitere Kostenlose Bücher