Schwarzkittel
Mord auszugeben?«
»Genauso schlimm finde ich, dass wir ihr diesen frisierten Mord sogar geglaubt hätten, wenn nicht dieser Hagen zufällig dort gewesen wäre.«
»Komm, lass uns rasch zu Frau Dipper fahren, die muss jetzt Farbe bekennen. Danach klären wir die Sache mit Windeisen. Vielleicht waren es doch nur Eifersüchteleien.«
Bis zur dipperschen Wohnung war es nur ein Katzensprung. Elli Dippers BMW stand in der Einfahrt. Eine hässliche Delle zierte den rechten hinteren Kotflügel.
Wenige Sekunden nach dem Ertönen des Big Bens öffnete uns die Witwe. Diesmal trug sie ein recht freizügiges Kleid, das sie anscheinend auf ihre heute offen getragenen Haare abgestimmt hatte.
»Ach, Sie sinds schon wieder«, begrüßte sie uns recht uninteressiert.
»Guten Tag, Frau Dipper, leider muss ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen. Übrigens, das ist mein Kollege Gerhard Steinbeißer.«
Sie nickte ihm kurz zu und gab ihm ihre Hand. »Kommen Sie doch bitte rein.«
Erstaunlicherweise war der Perser, der nach ihren Angaben gerade frisch gereinigt war, verschwunden.
»War der Teppich schon wieder schmutzig?«, fragte ich verwundert.
Sie runzelte die Stirn. »Nein, ich habe ihn zusammengerollt und ins Arbeitszimmer gelegt. Er erinnerte mich zu stark an meinen Mann. Ich habe vor, die Wohnung etwas umzugestalten.«
»Sie hatten einen kleinen Unfall? Mit dem Auto, meine ich.«
»Nur eine kleine Unaufmerksamkeit meinerseits, nicht der Rede wert. Das habe ich schon alles der Versicherung gemeldet.«
Wir waren inzwischen im Wohnzimmer angekommen, und sie deutete wie bei meinem letzten Besuch auf die Ledercouch. Auf dem Tisch lagen diverse Tarotkarten verstreut herum.
»Ich muss mit Ihnen über ein ziemlich heikles Thema sprechen, Frau Dipper«, begann ich. »Wir haben einen Zeugen gefunden.«
»Einen Zeugen? Was für einen Zeugen? Jemand der den Mord an meinem Mann beobachtet hat?« Ihre Stimme wurde leicht zittrig, ihre Fingernägel krallten sich fast unmerkbar in das Leder der Couch.
»Nicht ganz. Wir haben einen Zeugen gefunden, der den Tod Ihres Mannes mitverfolgt hat. Der Zeuge hat darüber hinaus gesehen, welche Rolle Sie darin spielten.«
Auf einen Schlag war es mit der Selbstbeherrschung von Elli Dipper vorbei. Die Tränen standen in ihren Augen. Schließlich stand sie auf und ging zu ihrem Vertiko. Genau wie beim letzten Mal warf sie sich dort mehrere Tabletten ein. Es dauerte zwei oder drei Minuten, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Sie kam zurück und setzte sich wieder zu uns.
»Wie soll es jetzt weitergehen?«, schluchzte sie unsicher.
»Kommt darauf an. Wussten Sie, dass ihr Mann sich umbringen wollte?«
»Um Himmels willen, nein! Er hatte das mit keinem Wort erwähnt. Es gab keinerlei Anhaltspunkte dafür. Es muss sich um eine spontane Tat gehandelt haben.«
»Sie selbst wissen nicht, warum er das getan hat?«
»Wie bitte? Zweifellos weiß ich das. Denken Sie, ich habe den Mord etwa vorgetäuscht, um die Polizei zu ärgern? Er redete die Tage vor seinem Tod von nichts anderem mehr als von diesem toten Kind. Es hat ihn fast um den Verstand gebracht. Wahrscheinlich hat das bei ihm eine Kurzschlussreaktion ausgelöst.«
»Hat er den Tod des Kindes leichtfertig verschuldet, oder warum plagten ihn die Gewissensbisse?«
»Nein, natürlich ist ihm kein Behandlungsfehler unterlaufen. Er war der Meinung, dass dieses neue Medikament daran schuld sei. Immer wieder hat er deswegen bei dem herstellenden Pharmaunternehmen angerufen. Doch die haben natürlich alles abgestritten.«
»Ich denke, Sie sprechen von ›Croupison‹?«
Sie nickte fast unmerklich.
»Mit wem hat ihr Mann telefoniert?«
»Fürchtegott Mayer. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens. Dessen Sitz ist in Ludwigshafen.«
»Wie kam Ihr Mann auf die Idee, dass mit dem Medikament etwas nicht stimmen könnte?«
Sie schaute sehr zornig drein, ihr schien mittlerweile alles egal geworden zu sein. Ihre Wangen röteten sich schlagartig.
»Weil dieses ›Croupison‹ derzeit keine endgültige Zulassung hat, darum!«
Ich riss die Augen auf.
»Wie bitte? Was bedeutet das? Darf das Mittel etwa noch gar nicht verschrieben werden?«
»Genau, die klinischen Tests laufen noch. Doch Karlheinz ließ sich dazu überreden, das Medikament anzuwenden. Das ging nicht über die Apotheke, sondern über die Praxis. ›Neomedi‹ hat meinen Mann direkt mit einem Vorrat an Tabletten beliefert.«
»Warum hat sich Ihr Mann zu so etwas
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