Schwarzkittel
rein, das ist ja eine schöne Überraschung.«
In dem Moment kam etwas auf mich zugeflogen, Stefanie konnte sich gerade noch zur Seite retten. Ich identifizierte das Geschoss als meinen Sohn Paul.
»Hallo, Papa, geil dass du da bist! Mama hat gesagt, dass wir bald bei dir wohnen dürfen. Gibts dann wieder Pizza und Schokoladentorte?«
»Paul, jetzt überfalle doch deinen Vater nicht so. Lass ihn erst einmal richtig reinkommen«, wies Stefanie den Jungen zurecht. Doch Paul interessierte das nicht. »Papa, ich habe wieder einen neuen Witz gehört, den muss ich dir unbedingt sofort erzählen.«
Oje, Paul war immer noch im Witze-Erzählfieber. Die letzten Monate musste ich mir da schon einiges anhören. Doch was macht man nicht alles für seine Kinder.
»Hörst du jetzt zu?«, forderte er ungeduldig, weil er vermutete, dass ich seinem Wunsch nach ungeteilter Aufmerksamkeit nicht gerecht wurde. »Papa, was ist der Unterschied zwischen einer Frau und einem Pferd?«
»Nein, Paul, lass das!«, schimpfte Stefanie.
Paul grinste von einem Ohr zum anderen, bevor er mir die Lösung servierte. »Beim Pferd muss man absteigen, wenn man ihm in die Augen schauen will.«
Stefanie lief rot an und ich war sprachlos. Paul war in der zweiten Klasse und erzählte mir frivole Männerwitze.
»Jetzt verschwinde aber«, machte Stefanie ihrem Unmut Luft. »Geh zu den anderen, ich komme mit deinem Vater gleich nach.«
»Das mit dem Witz ist nicht so, wie du denkst«, erklärte sie, als wir unter vier Augen waren. »Paul hat das in der Schule aufgeschnappt und erzählt den Witz überall rum, ohne die Pointe überhaupt zu verstehen.«
»Ach, so ist das. Ich dachte schon, du hast den ›Playboy‹ offen rumliegen lassen.«
Stefanie gab mir einen kleinen Ellenbogenrempler. »Du weißt doch genau, dass ich nur ›Frau mit Herz‹ lese.«
»Und ›Gesunde Ernährung‹ oder wie das Fachblatt für Gemüsefresser heißt.«
»Genau, du hast es erfasst. Deinem Magen nach hast du wohl Hunger. Freu dich, Christin hat frische Gemüseravioli gemacht, das Richtige für einen Veganer wie dich.«
»Veganer? Was ist das für ein Zeug? Ich kenne nur die Vogonen aus ›Per Anhalter durch die Galaxis‹.«
Stefanie verstand meine Anspielung nicht, weil sie meine Kultbücher nicht kannte. Wir gingen zusammen in das Rohbauwohnzimmer. Ich begrüßte Christin und Michael, die wegen der Aktivitäten der letzten Tage immer noch etwas angespannt wirkten. Meine Tochter Melanie saß teilnahmslos in einer Ecke auf einem Campingstuhl und schien zu schlafen.
»Melanie!«, schrie ihre Mutter. »Nimm die Stöpsel aus deinen Ohren und begrüße deinen Vater.«
Sie schreckte hoch und erkannte mich. Jetzt könnte man meinen, dass eine Tochter als nächstes sofort ihren geliebten Vater begrüßt. Weit gefehlt, als Fünftklässlerin muss man Prioritäten setzen. Seelenruhig nahm sie erst einmal ihren MP3-Player in die Hand, der an ihrer Seite baumelte, schaute auf das Display, wohl um sich die momentane Stelle zu merken und drückte schließlich eine Taste. Erst jetzt hatte sie Zeit, die Ohrenstöpsel herauszunehmen.
»Hi, Daddy«, begrüßte sie mich. »Nimmst du uns später mit? Hast du noch von den Pommes daheim? Die leckeren mit ganz viel Mayo, die wir das letzte Mal bei dir gegessen haben?«
Verräterin, dachte ich. Stefanie hatte ich von harmlosen Kartoffelgerichten erzählt. Wahrscheinlich wusste Stefanie aber sowieso schon Bescheid, jedenfalls reagierte sie nicht.
»Nein, Melanie, deine Mutter hat gerade gesagt, dass wir uns in Zukunft nur noch vegan ernähren.«
Melanie lächelte. »Dann ist also alles prima, lass die Pommes anrollen, die sind auch vegan.«
Um von diesem schwierigen Thema abzulenken, fragte ich die stolzen Hausbesitzer nach ihren eigenen Kindern.
»Die haben wir bei der Oma gelassen. Vorhin hatten wir mit dem Planer der Baufirma eine Besprechung, da wären die beiden nur im Weg gewesen.«
»Aha, und was ist bei der Baubesprechung rausgekommen? Habt ihr das falsche Haus geliefert bekommen, und es muss alles wieder weg?«, frotzelte ich.
Michael entgegnete spitzbübisch grinsend: »Nein, es ist fast alles prima gelaufen. Man hat nur die Kellertreppe vergessen, jetzt haben wir keinen Zugang zum Untergeschoss. Da brauchen wir wenigstens da unten nicht sauber machen. Apropos Christin, wo sind unsere Kinder genau?«
Christin hatte den Witz verstanden. »Keine Ahnung, ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen. Ob die vielleicht im Keller
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