Schwarzwaelder Dorfgeschichten
bestimmte Balthes den Geometer zur Einwilligung. Er nahm ihm den Hut ab und gab ihm solchen nicht mehr, denn er wußte wohl, daß, wenn der Geometer da war, es nicht nur bei Tisch ohne Zank abging, sondern auch wahrscheinlich eine Halbe Bier geholt würde. In der That wurde auch Cordele, die kleine Tochter, in den Adler geschickt und kam mit einer Flasche unter der Schürze zurück; denn auf dem Lande, wo Alles offenkundig ist und man den Leuten so zu sagen in den Mund guckt, sucht man auch Alles zu verbergen.
Creszenz trug schön geputzt aber mit verweinten Augen das Essen auf, sie klagte über den Rauch in der Küche. So war Alles Lüge bei Tische. Kaum hatte der Geometer halb aufgegessen, legte ihm die Mutter schnell wieder ein gutes Stück auf den Teller. Er dankte sehr für diese Freundlichkeit, denn er merkte nicht, daß die Frau, den verlangenden Augen ihres Mannes folgend, demselben schnell den ersehnten Bissen vor der Nase wegraubte; auch schenkte sie dem Geometer oft ein, weil sie mit Recht fürchtete, ihr Mann würde sonst nicht blöde zugreifen. Nur die Frau und der Geometer führten das Wort bei Tische. Als dieser von der Händelsüchtigkeit des Florian erzählte, erröthete Creszenz, sie holte aber schnell den Katzenteller unter der Ofenbank vor.
Als abgegessen war, sagte Balthes: »Nun, Frau, mach' auch einen Kaffee.«
»Ich für meine Person muß danken,« sagte der Geometer.
Die Schneiderin nahm das gern an, denn sie gönnte ihrem Manne keinen Antheil an dem Leckerbissen; sie küchelte dann später einen für sich allein und bröselte etwas dazu.
Nach der Mittagskirche ging nun Creszenz mit dem Geometer spaziren; sie wußte es zu veranstalten, daß sie nicht durch das Dorf, sondern durch die Gärten gingen. Als sie gegen des Jörgli's Kegelbahn kamen, schreckte Creszenz plötzlich zusammen, denn sie sah Florian, wie er hemdärmelig mit dem Rücken nach dem Wege gekehrt dort stand. Sie hörte, wie er, ein Stück Geld auf den Boden werfend rief: »Es gilt sechs Batzen, ich treff' fünf.« Unter dem Vorwande, daß sie etwas vergessen habe, kehrte Creszenz schnell um, der Geometer folgte ihr kopfschüttelnd. Zu Hause überraschten sie die Mutter unangenehm beim Kaffee. Sie gingen nun durch das Dorf.
Florian begnügte sich für diesen Sonntag damit, Aufsehen im Dorfe zu erregen; das gelang ihm in vollem Maße. Alle Leute redeten nur von ihm, von seiner schwarzen Sammtjacke mit den silbernen Knöpfen, von seiner roth- und schwarzgestreiften Freischützenweste und von allen Herrlichkeiten der Art, denn die Leute im Dorfe wie in der Stadt haben meistens nichts zu sprechen und sind froh, wenn sich ihnen ein Gegenstand darbietet.
Der alte Metzgerle, der Vater des Florian, sammelte den Ruhm seines Sohnes von Mund zu Mund und that das Seine, ihn noch zu steigern.
Er konnte immer noch als ein schöner Mann gelten, wie er daher schritt, groß mit geröthetem Antlitze und lustigen grauen Augen. Er ging hemdärmelig und hatte das Sacktuch in das Armloch der Weste gesteckt, was ihm etwas Eigenthümliches gab. So oft er nun Jemand begegnete, zog er seine Dose heraus und ließ eine Prise ächten Doppelmops nehmen, indem er stets dabei bemerkte: »Den hat mir mein Florian bracht, gelt es ist ein Staatskerle? So ist Keiner auf zwanzig Stund Wegs. Sein Meister thät ihm auch gleich seine einzige Tochter geben, der Heidenbub' mag aber nicht. Sein Meister löst mehr für Klauen, als drei Horber Metzger für Fleisch, er metzget alle Tage seine acht Kälber und auch zwei oder drei Ochsen. Was meinst?« setzte er dann gewöhnlich hinzu, indem er seine Blätschle's- 2 Kappe dabei abnahm und wieder aufsetzte, »wie wär's, wenn ich nach Straßburg ging' und das Mädle heirathen thät? Wenn es einmal partu einen Großmann will, ist's eins, der jung' oder der alt', ich nehm's noch mit Jedem auf.«
Bei dem alten Schmiedjörgli, einem kinderlosen Greise von mehr als achtzig Jahren, der immer vor seinem Hause an der Straße saß und sich von den Leuten Alles erzählen ließ, hielt sich der alte Metzgerle besonders lange auf. Der alte Schmiedjörgli und die alte Maurita auf der Bruck, das waren die zwei Leute, durch die man etwas im ganzen Dorfe bekannt machen konnte. Der Schmiedjörgli erzählte Gutes und Schlimmes weiter, um Andere damit zu necken und um zu zeigen, daß er Alles wisse, die Maurita aber erzählte das Freudige, damit sich Andere mit freuen, und das Traurige, damit Andere mit trauern. Der Schmiedjörgli war
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