Schwarzwaelder Dorfgeschichten
und ein Landjäger aus dem Bett geholt und sie haben mich auf den Thurm gesperrt. Ich sag' nichts davon, wie mir's da gewesen ist. Der Thorwart hat mir gesagt, der Schmied läg' am Sterben. Wie ich nun so jeden Tag gehört hab', wie's geht, einmal schlimmer, einmal besser – du kannst dir nicht vorstellen, wie mir's da um's Herz war. Im Gefängniß hab' ich geweint wie ein Kind und vor dem Richter war ich stolz und hab' Alles geläugnet. Er war gar scharf. Ich hab' in der Nacht kein Aug' zuthun können und wenn ich ja hab' schlafen wollen, da bin ich wieder aufgewacht; um zwei Uhr da kommt der Postwagen grad durch das Thor, wo ich drauf sitz, den hab ich geführt, und jetzt war mirs allemal, wie wenn mir der Wagen über den Leib wegging', so hat mich's geschnitten, und der weiße Spitzhund hinten auf dem Packkasten hat bellt und hat mich ausgelacht. Nach vier Wochen ist der Schmied gestorben, wie sie sagen an der schleichenden Hirnentzündung. Jetzt hätte ich's gern eingestanden, ich kann aber nicht mehr, ich bin sonst verloren, und der Richter war fuchsteufelswild. Jetzt kommt das Aergste – sagte Jakob und ballte beide Fäuste – »ich hab' Prügel bekommen. Was ich da dacht hab', wie ich dagelegen bin und die ganz' Welt hat auf mich losgeschlagen – unser Herrgott wird mir's verzeihen, aber die Welt wenn ich hätt' anzünden können, ich hätt's than. Und wenn sie mir das Paradies schenken, ich kann nicht mehr froh sein, so lang ich unter Menschen bin.«
Jakob war still, sein Athem ging rasch; Magdalene strich ihm mit der Hand über die Stirn und er fuhr fort:
»Ich hab' Alles eingestanden, mehr als ich than hab', ich hab' wollen köpft sein; nur fort, nur schnell. Kurzum, weil ich trunken gehabt hab' und auch sonst noch, ich weiß nicht warum, hab' ich nur fünf Jahr' Zuchthaus kriegt. Ich bin da Jahre lang allein gesessen. Was meinst, was einem da in Kopf kommt, wenn man keinen Menschen sieht und hört und spricht? Ich muß einen festen Hirnkasten haben, daß er nicht versprungen ist.«
»Siehst du, so bin ich. Ich hab' einen Menschen aus dem Leben geschafft, hab' kein' Freud mehr an der Welt, hab' Niemand mehr gern, mag nicht mehr. Ich bitt' dich,« fuhr er fort, die Hand Magdalenens fassend, »ich bitt' dich, laß du mich auch; wer mich anrührt, hat Unglück.«
Magdalene saß lange still, endlich fragte sie: »Wie geht's denn der Schmiedin? weißt nicht?«
»Freilich. Sie hat schon lang wieder geheirathet, den Bachmüller; sie war eine Scheinheilige, ich hab' böse Sachen erfahren.«
».Es ist dir doch recht schlecht gangen,« begann Magdalene wieder, »aber du bist doch gut, und es wird dir gewiß auch noch gut gehn.« Sie konnte vor Weinen nicht weiter reden.
Plötzlich stand Jakob straff auf. Es war ihm zu Muthe, als ob er eine große Last abgelegt hätte; er fühlte sich so leicht und frei.
»Und wenn mir's gut geht, so mußt du auch dabei sein,« sagte er mit einer ganz andern Stimme als bisher. Er hob Magdalene in seinen Armen empor und trug sie wie ein Kind umher; endlich gab er ihren Bitten nach und ließ sie herunter.
Als sie auf dem Boden stand, sagte sie: »Nein, ich möcht' dich auf den Händen tragen, damit du Alles vergissest; gib nur Acht, es wird schon.«
Jetzt erst waren die Beiden selig.
Von nun an scheute sich auch Jakob nicht mehr, vor Aller Augen mit Magdalene zu sprechen und sie zu besuchen.
Besonders oft standen sie hinter dem Hause beim Backofen. Das Verhältniß der beiden Sträflinge reizte aber die Spottlust im Dorfe. Als sie eines Abends so beisammen standen, hörten sie die Burschen nicht weit davon singen:
Und des Hudelmanns Tochter
Und des Bettelbuben Jung',
Die tanzen miteinander
Im Holdergäßle 'rum.
Der Hudelmann steht daneben
Und lacht überlaut:
Der Herr sei gelobet,
Meine Tochter ist Braut.
Das erste Gefühl Jakobs, als er diesen Sang hörte, war nicht Zorn, sondern Trauer über die Menschen; so sehr hatte er sich geändert.
Nach wenigen Tagen hatte auch die Spottlust ihr Genüge; und man ließ die beiden Liebenden ungekränkt.
Jakob hätte nun gern etwas Großes, etwas Gewaltiges gethan, um seine Wiedergeburt, seine Rechtschaffenheit zu bethätigen und das Glück zu erringen. Aber wo war ein Raum für ihn? Er arbeitete für zwei Mann, aber was nützte das? Er konnte Jahre lang arbeiten, pünktlich und gewissenhaft sein; ein einziger Fehler zerstörte wieder Alles, frischte das Brandmal wieder auf, das durch eine einzige That seinem
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