Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Feld und Wald stehen und keine undankbaren Klagen von Menschenstimmen hören solle. Durch die Gassen jauchzen und jubeln die Kinder und sind unbändig. Wenn die Sonne hinabsinkt, verspürt das junge Erdenkind eine wundersame Erregung, als ob es mit fühlte den Schauer, der über die Erde zittert, wenn sie den letzten Sonnenstrahl in sich saugt. Männer und Frauen sitzen vor den Thüren und lassen die arbeitsschweren Hände rasten; um so behender aber regen sich die Zungen zu allerlei Gerede, gutem und bösem. Aus den Ställen vernimmt man abgerissenes Brummen der Thiere, das ist ihr Abendgespräch.
    Neben Jakob streckt der Rappe den Kopf zum Stallfenster heraus, horcht still hinein in die Nacht und bläst die Nüstern weit auf. Aus dem obern Dorfe herab hört man das Singen der Burschen. Sie gehen noch gemeinsam und lassen noch gemeinsame Worte erschallen, aber bald zerstreuen sie sich, denn es ist heute Samstag Abend, und an manches Fensterlein wird geklopft und da findet schon jedes die Worte, die ihm Allein taugen.
    Still und immer stiller wird es auf den Gassen, die Menschen sind schlafen gegangen. Droben wölbt sich der sternglitzernde Himmel und still fließt das Mondlicht von der Blechkuppel des Kirchthurmes. Drunten aber sitzt ein Mensch und sein Herz pocht einsam und um ihn wehen Gedanken, die nicht die seinen, sie kommen von fern und weben um ihn, wie der Mond in sein Antlitz strahlt, still erglänzt auf Stirn und Wangen und wieder abgleitet.
    Droben funkeln die Sterne, frei hinausgestellt von Gottes Hand, und sie wandeln unhörbar ihre gemessene Bahn. Millionen Augen, längst geschlossen, schauten hier hinauf; Millionen werden aufschauen und keines dringt in den Grund. Die Erde lebt, die Sterne leben, ihre Worte sind glitzernde Strahlen, Lichtboten rauschen durch die Welten. Willst du sie fassen, du lallendes Kind an der Mutterbrust? Willst du verstehen den Blick des Vaters und seine strahlenumwundenen Gedanken? – Laß ab, o Erdenkind, dein Zagen und Bangen; über eine Weile öffnet dir der Tod die Pforten des Wunders.
    Jakob seufzt tief auf, er geht in den Stall, gibt den Pferden über Nacht und jetzt steht er an die Thürpfoste gelehnt, er findet keine Ruhe.
    Leichtbeschwingter Geist! Flieg' auf und wiege dich frei über Berg und Thal, über Wald und Bach, schwimme hin in die Wellen des Mondlichts und schau in die Wipfel der Bäume, wo die Vögel wohlig ruhen, und in den Spiegel des See's, drin die Sterne sich beschauen. Sei selig und frei.
    O! wie schwer haftet die Sohle am Boden!
    Mitternacht ist nahe, Jakob geht durch das Dorf; wohin? er weiß es selber nicht, nur soviel ist gewiß, daß er sich nach Nichts sehnt; er ist nicht mehr er selber, er ist wie aufgelöst in das All.
    Der Mond zieht allewege mit, immer voller, immer tiefer. Wie lautlos ringsum, wie eine Pause in dem endlosen Rauschen der Weltaccorde, drin das Herz aufathmet und sich sammelt. Träume steigen unhörbar aus und ein über den Hütten. Dort stöhnt eine Brust von Qual und dort lächelt ein Antlitz von Wonne. Bald stöhnt deine Brust, bald lächelt dein Antlitz nicht mehr – es kommt der ewige Schlaf.
    Jakob ging immer weiter und weiter. Er schaute sich nicht um, er gedachte der Nächte, die er im Kerker verbracht, in denen er eingesargt, abgestorben war in der großen weiten Welt; er streckte die Arme weit aus, als wollte er tasten ob nirgend eine Wand wäre; er wandelte jetzt frei umher, und doch zog es ihn fast willenlos fort. Als fühle er's, daß er jetzt am letzten Hause sei, schaute er auf. Oben zur Dachkammer in des Hennenfangerle's Haus grinste ein teuflisches Angesicht in die Nacht hinein. War das nicht Frieder? Jakob eilte, wie von Dämonen gegeißelt weiter.
    Dort an dem Weiher steht die einsame Pappel, ihr Stamm ist gebeugt als wollte sie sich niederlegen zur Erde. Welch' seltsame Zeichen dort im Schatten? Wird ein Geist heraustreten und alle Lohe des Herzens löschen oder hellauf lodern machen? Wo seid ihr, wundersame Gestalten, die ihr den nächtlichen Reigen tanzet?
    Weiter schreitet Jakob durch die Wiesen ins Feld. Der Sturm hat das Korn niedergetreten, und es dorrt demüthig geduldig, bis der Herr der Erde, der Mensch, die Sichel anlegt und es einheimst.
    Ein röthlicher Schimmer liegt auf den Kornhalmen, gleich als funkelten die eingesogenen Sonnenstrahlen fort und fort. Wie nächtig ragen die dunckeln Bäume hinein in den blaugeschliffenen, glitzernden Krystall des Himmels. Die Wolken, vom Monde durchströmt,

Weitere Kostenlose Bücher