Schwarzwaelder Dorfgeschichten
es schlaff und verdrossen und alles Blut wich daraus zurück. Auf einem Wollsacke nicht weit von der großen Feuerspritze, die im Hofe stand, saß er mit entblößtem Haupte und gekreuzten Beinen und sein Auge schaute hinein in die rothe Schreibtafel, in die er sich seine Einkäufe nach Sorte u.s.w. eingezeichnet hatte, um ihn her lagen in verschiedenen Papieren Wollproben. Diethelm fuhr sich mit der Hand über das Haupt und er meinte, er spüre es, wie ihm die Haare jetzt plötzlich grauer werden. Eben kam der Reppenberger wieder und brachte einen Mann, der eine überaus feine und haartreue Wolle habe, da sei jedes Härchen von unten bis oben gleich und Alles im Vließ gewaschen. Diethelm nebelte es vor den Augen, und er ersuchte den Reppenberger, vor Allem einen guten Trunk Wein herbeizuschaffen; er fühlte sich so matt, daß er auf keinem Beine mehr stehen konnte, und besonders in den Knieen spürte er eine unerhörte Müdigkeit. Er gab den Umstehenden wenig Bescheid und starrte hinein in seine Schreibtafel und sprach mit den Lippen lautlos die Zahlen vor sich hin. Vom Hauptthurm der Stadtkirche bliesen eben die Stadtzinkenisten den althergebrachten Mittagschoral; sie standen eben auf der Westseite der Thurmgalerie, und diese Posaunen und Trompeten strömten ihre langgezogenen Töne gerade zu Häupten Diethelms nieder. Er zuckte zusammen und schaute auf, als hörte er die Posaune des jüngsten Gerichtes vom Himmel herab; er fuhr sich mit der breiten Hand langsam über das ganze Gesicht, dann schaute er hell auf, der Reppenberger rief ihm. Der herbeigebrachte Wein richtete ihn bald wieder auf und nun galt es, die begonnene Rolle muthig fortzusetzen. Die Stadtzinkenisten bliesen eben nach einer andern Himmelsgegend, und die Klänge schwebten wie verloren über dem lauten Marktgewühle. Einmal sprach er eifrig und ganz allein mit einem fremden Händler und es verbreitete sich rasch die Sage, daß er im Auftrage dieses, der noch gar nichts eingekauft hatte, die Händel abschließe. Diethelm merkte bald, daß sein Auftreten dem Markt eine ganz andere Wendung gegeben hatte; es kamen schon Unterhändler, die sich im Auftrage Ungenannter nach dem Wiederverkaufe erkundigten. Eine Weile stockte er und gedachte mit mäßigem Gewinn darauf einzugehen, aber der Reppenberger hatte Recht: jetzt im hohen Verkehr, wo Alles im Trab geht, kann man nicht hufen und rückwärts fahren; wenn Alles vorbei ist, dann läßt sich ein guter Treffer machen, dann hat man die ganze Geschichte allein in der Hand, drum jetzt nur muthig vorwärts. Und immer neue Zahlen stellten sich in die Schreibtafel Diethelms, er hatte schon dreimal die Schreibtafel in die Tasche gesteckt und die Hand darauf gelegt mit der Versicherung, daß er sie nicht mehr herausthue, und wenn er die Sachen halb geschenkt bekäme, er gehe nicht weiter in's Wasser, als er Boden habe; aber Alles schrie über seine Bescheidenheit, so ein Mann wie er, könne dreimal den Markt auskaufen. Dieser Ruhm stachelte ihn immer wieder auf's Neue, denn er sah, wie seine prahlerische Bescheidenheit ihm immer mehr Vertrauen an den Hals warf. Der Gedanke, wie sehr er dieses Zutrauen täusche und vielleicht ganz betrüge, zuckte ihm wieder durch die Seele, aber jetzt fand er eine rasche Aushülfe: da ist der Steinbauer, der so heilig thut, wie ein frisch vom Himmel geflogener Engel, und ohne Widerrede gibt er einen geringern Preis an, als er bekommt, und betrügt damit alle Anderen. Aller Handel und Wandel ist auf Lug und Trug gestellt, ein bischen mehr, ein bischen weniger; und es kann ja wohl sein, es ist so viel als sicher, daß kein Mensch einen Heller verliert. – Die Leute zeigten einander, wie zuversichtlich und froh der Diethelm dreinsah und beneideten ihn um den Haupttreffer, den er heute mache.
Drittes Kapitel.
Wieder kehrte Diethelm mit großem Geleite in das Wirthshaus zurück. Es waren nun wirklich seine Vasallen, denn ihn umgaben alle Die, denen er abgekauft hatte.
Unter dem Thore begegnete er seiner Tochter, die mit einigen Mädchen dort seiner harrte; sie fragte ihn, ob er nun mitgehe, ihr, wie er versprochen, einen Marktkram zu kaufen. Diethelm sagte, er habe keine Zeit und gab ihr zwei Kronenthaler, daß sie sich selber etwas kaufe.
Mit dem Steinbauer mußte nun vor Allem glatte Rechnung gemacht werden. Diethelm nahm ihn zuerst allein vor, aber er mochte reden, was er wollte, der Steinbauer blieb bei seiner Aussage, er verlangte ein Viertheil des Kaufpreises als
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