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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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hatte; die Maßnahmen des Bauamtes mußten jetzt als felsenfester untrüglicher Hort gelten.
    Als die Grundmauern aus dem Boden herauswuchsen, war Seb überaus glückselig; jetzt war Alles gewonnen. Er dehnte den Bau größer aus, als er sich anfänglich vorgesetzt, denn beim ersten Spatenstich übergab ihm Zilge eine nicht unansehnliche Ersparniß, und er lernte in der Wohnung Zilges die Wahrheit des Sprüchwortes kennen: ein heruntergekommener Reicher hat noch mehr als ein aufkommender Armer. Auch hiegegen warnte der Vater, und er traf zwei Dinge auf einmal, indem er sagte: es läßt sich gar nie berechnen, was ein Neubau und was eine Frau aus einem vormals reichen Hause für Aufwand kostet. Weil das Letzte offenbar griesgrämige Verleumdung war – denn zufriedener und sparsamer als Zilge konnte ja Niemand sein – so durfte auch das Erste nichts als Altersängstlichkeit sein.
    Seb war ehrgeizig und stolz, wenn auch minder als Zilge, er wollte der Welt und vor Allem in der Welt seiner Zilge zeigen, was er vermöge, und welch' ein lustig Haus er dahinsetze. Er dankte ihr oft im Stillen, und er sprach es manchmal am späten Feierabend gegen sie aus, daß sie ihn vermocht habe, neu zu bauen. Wer im Dorf ein Fuhrwerk hatte, that dem Seb eine oder mehrere unentgeltliche Baufuhren. Ein Jedes freute sich, daß die Liebesleute, die schon so lange treulich zusammenhielten, doch endlich vereinigt werden sollten, und beim Freitrunk, den Seb einzig dafür als Lohn gab, zeigte sich, daß Zilge auch reichlich mit Flaschen und Gläsern versehen war.
    Die Fuhrwerke hatten viel Mühe, wieder leer umzuwenden, denn das Haus wurde an das Ende der Gasse gebaut, gerade da, wo dieselbe sich sackte. Ein Zaun von kurz gehaltenen knorrigen Tannen, darein sich wilde Rosen mischten, zog sich querüber zum Schutze der dahinter liegenden Wiese, deren Waldursprung noch zwei hohe Tannen bekundeten, die an der Westseite von Seb's Bauplatz standen; sie hätten wohl schöne Baustämme gegeben, Seb aber wollte sie erhalten, theils zum Schutze des Hauses, theils auch, weil seinem nicht ungebildeten Schönheitssinn die Bäume als erwünschter Schmuck erschienen; er hatte sie auf dem Plane gezeichnet, den er mit Hülfe des Zimmermanns von seinem Hause entworfen und den jetzt Zilge über ihrem Stickrahmen hängen hatte. Er nannte diese beiden Tannen gern scherzweise seinen Wald.
    Den ganzen Sommer war Seb in fieberischer Aufregung und schlief keine Nacht ruhig. Er hatte, seitdem er aus der Schule entlassen war, beim Bauen geholfen, er war daran sattsam gewöhnt, aber jetzt war's ihm allzeit, als ob Steine, Kalk und Mörtel auf ihn warten und ihm keine Ruhe lassen.
    Oft, bevor der Tag graute, hörte man ihn meißeln und hämmern, und in der Mittagsruhe legte er den Kopf auf einen Stein und schlief eine Weile.
    Seb machte die Umfassungsmauern des nur einstöckigen Hauses bis unter das Dach von Stein.
    Die wilden Rosen am Zaune blühten, als man das Haus richtete und der grüne bebänderte Maien vom Giebel prangte.
    Von der Wiese aus, die man jetzt, da das Heu eingeheimst wurde, betreten konnte, nahm sich das Häuschen gar freundlich aus und erhielt auch von dort den Namen, denn im ganzen Dorfe verbreitete sich das Wort, das Seb zu Zilge, die er dorthin geführt hatte, sagte:
    »Jetzt siehst, daß ich Recht habe, ich bau' dir ein lustig Häusle.«
    So hieß nun das Haus, das gegen allen Ortsbrauch sein Angesicht nicht den Menschen zuwendete, sondern hinaus in's Freie.
    Seb war nicht wenig glücklich und stolz, daß die Sommerzeit noch so früh war; das Haus konnte bequem ausgebaut werden und austrocknen bis zum Herbst. Nun wurde im Innern gehämmert und gerichtet und Seb war überaus wohlgemut, daß er nun zum Erstenmal einen Bau hergestellt, den er nicht wieder verlassen sollte. Aber eben als er an's Dachdecken gehen wollte, und das verstand Seb meisterlich, stand er schwindelnd vor dem Hause. Es war ihm, als müßte er selbst umfallen: die Ostseite des Hauses hatte sich ja tief gesenkt. – Seb stand lange zitternd da, es versetzte ihm den Athem, und er biß sich die Lippen blutig, als er das gewahrte. Seltsamerweise bemerkte aber der Vater nichts, ja er bestritt es dem Seb, als dieser ihn darauf aufmerksam machte, und Seb wollte selbst bezweifeln, daß er das Wahre gesehen.
    Die Zuversicht auf die bisherige Untrüglichkeit seines Augenmaaßes, und der Wunsch, daß es ihn doch dießmal getäuscht haben möge, stritten sich in ihm. Um diesen Streit nicht

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