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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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ein.
    Blinzelnd schlug Ivo um sich, als Nazi mit dem Lichte kam, er wollte nichts vom Aufstehen wissen, Nazi aber sagte mit betrübter Miene: »Ich kann dir nicht helfen, steh auf, du mußt jetzt lernen aufstehen, wie's die Leut' befehlen.«
    Noch in der Stube taumelte Ivo wie schlaftrunken umher. Erst der erweckende Kaffee brachte ihn zur vollen Besinnung.
    Alles im Hause war auf den Beinen, Ivo nahm von seinen Geschwistern weinend Abschied. Der Bartel saß bei Nazi auf dem vordern, mit dem Hafersack gepolsterten Brette, die Mutter war schon auf den Wagen gestiegen, Joseph, der älteste Bruder, hielt den Falben am Zügel. Da hob Valentin seinen Sohn in die Höhe und küßte ihn, es war das erstemal in seinem Leben, daß er ihm dieses Liebeszeichen gab, Ivo umschlang ihn laut wehklagend, Valentin war sichtbar gerührt, aber er war noch Mann genug und hob Ivo auf das Wägelchen, reichte ihm die Hand und sagte mit stockender Stimme: »B'hüt di Gott, Ivo, sei brav.«
    Die Mutter hüllte Ivo zu sich in den Mantel ihres Mannes, der Falb zog an, und fort ging es durch das Dorf, das still und dunkel war; nur hier und dort brannte ein traurig Licht bei einem Kranken und schwebten trübe Schatten der Wartenden an den Fenstern vorüber. Kein Lebewohl sagten die trauten Menschen, die hinter all den stillen Mauern wohnten; nur der Nachtwächter hielt an der Leimengrube mitten in seinem Rufe inne und sagte: »Glück auf den Weg.«
    Fast eine Stunde lang fuhren die vier so fort, man hörte nichts als den Hufschlag des Pferdes und das Rasseln des Wagens. Ivo lag an dem Herzen seiner Mutter und hielt sie fest umschlungen.
    Jetzt wickelte er sich plötzlich aus der warmen Verhüllung und sagte: »Bartel, hast du auch einen Mantel?«
    »Ja, der Nazi hat mir die Roßdeck' geben.«
    Ivo legte sich wieder still an das warme Herz seiner Mutter, und von Trauer und Müdigkeit überwältigt, schlief er ein.
    Seliges Loos der Kindheit, deren Wehe noch die stille Nacht des Schlummers in Vergessenheit einwiegt!
    Der Weg ging fast immer durch den Wald, zuerst bis Mühringen, dann durch das liebliche Eyachthälchen und den Badeort Imnau. Ivo sah von alle dem nichts. Erst als man die Haigerlocher Steige hinanfuhr, erwachte er und schreckte zusammen, als er da unten die Stadt von den senkrecht steilen Bergen umdrängt sah; es kam ihm Alles wie ein Wunder vor.
    Es tagte, und die Kälte wurde eine Weile empfindlicher; denn es ist, wie wenn beim Aufgang der Sonne die kalte Nacht sich von der Erde erhöbe und mit verstärkter letzter Kraft die irdischen Geschöpfe anhauche. In Hechingen im Rößle kehrte man ein. Ein junges Mädchen stand unter der Thüre des Wirthshauses.
    Ivo mochte an Emmerenz denken, denn er sagte: »Mutter, essen wir jetzt das Geitle?«
    »Nein, in Gamertingen machen wir Mittag, und da lassen wir uns auch ein Süpple dazu kochen.«
    Der sonnenhelle Tag im schönen Killerthale, die wechselnden Gegenstände, das fremde Leben der rauhen Alb heiterten Ivo auf, und als er eine große Rinderherde auf der Weide sah, sagte er zu Nazi: »Versorg' nur auch meinen Stromel gut!«
    »Da ist nicht mehr viel zu versorgen, dein Vater hat ihn an den Buchmaier verkauft, der wird ihn dieser Tage holen und in's Joch eingewöhnen.«
    Ivo kannte den Fortgang im Schicksale der Thiere zu gut, um hierüber eine Betrübniß zu empfinden; er sagte daher nur: »Beim Buchmaier hat er's gut, der ist rechtschaffen gegen Mensch und Vieh, der wird ihm nicht zu viel zumuthen. Er spannt ja auch die Ochsen nicht in's Doppeljoch, da hat jeder sein besonderes, das plagt sie nicht so arg, da können sie sich doch regen.«
    Die Sonne neigte sich schon zum Untergehen, als man in das Donauthal kam. Nazi schien besonders aufgeräumt. Er erzählte mit zurückgewendetem Kopfe allerlei drollige Streiche von dem nahe gelegenen Munderkingen, dem man das Gleiche nacherzählt, was man sonst den Schildbürgern aufbürdet; Ivo lachte aus voller Seele und sagte einmal: »Ich wollt', wir könnten ein ganz Jahr lang so mit einander in der Welt herumfahren.«
    Das hatte aber jetzt ein Ende, denn man war vor Ehingen angelangt.
    Ivo fuhr zusammen und faßte die Hand seiner Mutter fest.
    Man stellte in der Traube, nicht weit von dem Kloster, ein.
    Kaum hatten sich unsere Reisenden an einen Tisch gesetzt, als es zur Vesper läutete; die Mutter stand auf, winkte den beiden Knaben und ging mit ihnen zur Kirche.
    Es liegt eine tiefe Macht in der allverbreiteten Sichtbarkeit der katholischen

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