Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition)

Titel: Schwedenbitter: Ein Hamburg-Krimi (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
Vom Netzwerk:
Bronchien.
    »Schlindwein wollte das Tucker-Haus kaufen«, sage ich, »hat es aber nicht gekriegt. Wieder mal hat er was nicht gekriegt, was er der Stadt abkaufen wollte. Weil wieder mal ToftingInvest den Zuschlag bekommen hat.«
    Der Calabretta trinkt einen Schluck Bier und nickt einem Mädchen mit pinken Haaren zu, die gerade zur Tür reinkommt. Wen der alles so kennt. Ts.
    »Das heißt?«, fragt er.
    »Er meint, da ist was faul. Er glaubt, dass da irgendein Deal läuft.«
    »Zwischen den Dänen und der Baubehörde?«
    »Behörde für Stadtentwicklung«, sage ich.
    »Und Umwelt«, sagt der Kamelhaarmantel neben mir. Vielleicht sollten wir leiser reden.
    »Ja«, sage ich und rücke ein bisschen näher ran. »Schlindwein glaubt, dass sich da irgendwer in der Behörde ein Ferienhaus auf den Seychellen zusammenspart.«
    »Pikant«, sagt der Calabretta, beißt in seine türkische Pizza und legt sie wieder zur Seite. Seine Augenbrauen sind jetzt in der Mitte zusammengezogen. Italienisches Grummeln. Er kaut, kippt einen Schluck Bier hinterher, rutscht von seinem Hocker.
    »Ich geh mal eben raus«, sagt er, »telefonieren.«
    Ich komme mit.
    Wir gehen zwei Schritte die Rendsburger Straße hoch, dann ruft der Calabretta den Inceman an, und wir erzählen ihm alles und sagen ihm, was er machen soll und dass er vor allem vorsichtig machen soll.
    Als wir wieder reinkommen, ist schon fünf Minuten gespielt.
    Sankt Pauli liegt eins null zurück.
    *
    Nach dem Spiel ziehen wir gemeinsam mit der Trauergemeinde aus Sankt-Pauli-Fans in Richtung meiner Straße. Die wollen zum Fanladen. Ich will nur noch nach Hause. Mich fröstelt, und ich hab fast das ganze Spiel durchgehustet. Der Calabretta sagt nichts, aber er sieht mich an, als wäre ich das tuberkulöse kleine Ding aus La Bohème.
    Mein Telefon klingelt. Der Faller ist dran.
    »Sie haben mich gestern sieben Mal angerufen«, sage ich.
    »Sie sind nicht rangegangen«, sagt er. »Sie gehen sonst immer ran. Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
    »Tut mir leid«, sage ich, »ich hatte zu tun.«
    »Können wir uns treffen, Chastity?«
    »Das wissen Sie doch, Faller.«
    »Morgen?«
    »Okay«, sage ich.
    »Um zwei in der Haifischbar«, sagt er und legt auf.
    Dem war jetzt irgendwas peinlich.
    »Dem Faller ist irgendwas peinlich«, sage ich.
    »Wieso das denn?«, fragt der Calabretta.
    Ich bleibe stehen.
    »Darf dem Faller denn nicht mal was peinlich sein?«, frage ich.
    »Entschuldigung«, sagt der Calabretta, »aber nach allem, was unser alter Freund hinter sich hat, kann ihm doch gar nichts mehr peinlich sein, oder?«
    Plötzlich rattert und wummert es hinter uns, als wäre da ein klappriger Panzer unterwegs.
    »Madonna!«, sagt der Calabretta. »Was zur Hölle ist das denn?«
    Sie sehen aus wie ein Haufen zerlumpter Piraten auf Rädern, sie tragen Schwarz mit weißen Totenköpfen auf dem Rücken oder der Brust oder den Beinen. Sie tragen schwarze Mützen oder Sturmhauben. Aber ihre Lumpen sind aus High-Tech-Material, und ihre Räder sind sehr schmal und vermutlich ziemlich wertvoll. Die meisten der Männer verdienen ihr Geld als Fahrradkuriere, im Herzen aber sind sie die Könige des Hamburger Asphalt-Ozeans.
    »Fahrradpunks«, sage ich, »die coolsten Hunde der Stadt.«
    Da rasen sie auch schon an uns vorbei. Sie hören sich ein ganz kleines bisschen an wie das Peloton bei der Tour de France, das Klicken der Schaltungen, das Schnurren der Räder. Aber insgesamt machen sie sehr viel gefährlichere Geräusche. Dunkle Geräusche. Sie sind das finstere Peloton. Denn hier gibt’s kein Regenbogentrikot und auch keine Helme. Hier gibt’s höchstens auf die Schnauze.
    »Was machen die?«
    Der Calabretta sieht mit seiner Flasche Astra in der Hand und seiner runtergeklappten Kinnlade im Gesicht aus wie eine Figur aus einem Schwarzweißfilm mit Jean Gabin und Lino Ventura.
    »Die fahren ein Rennen«, sage ich.
    »Jetzt? Es ist schon dunkel …« Der Calabretta trinkt einen Schluck Bier. Für die Nerven. »Und hier?«
    »Das ist ein 100-km-über-Kopfsteinpflaster-gegen-die-Einbahnstraße-bei-Nacht-Rennen«, sage ich.
    »Ein was …?«
    »Das machen die manchmal«, sage ich. »Im Frühjahr fahren sie auch mal tagsüber, aber nur, wenn’s regnet. Das Rennen heißt dann Hamburg – Roubaix.«
    Der Calabretta trinkt noch einen Schluck, ich zünde mir eine Zigarette an. Mein neapolitanischer Kollege sieht richtig niedlich aus, wenn er so kindlich aufgeregt ist. Komisch. Aus Mädchen werden

Weitere Kostenlose Bücher