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Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Schweig still, mein Kind / Kriminalroman

Titel: Schweig still, mein Kind / Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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eine Raupe, die man eben mal zerquetscht.« Sie legte die Hand auf die Klinke. »Er hat nicht einen Laut von sich gegeben. Als ich allein zu Hause ankam …« Ihr Blick ging zum Fenster. »Von dem Tag an war auch ich tot.«
    Ehrlinspiel starrte sie an. »So wie Elisabeth und Hermann für Sie tot waren?«
    Frieda öffnete die Tür und sah ihn ruhig an. »Die haben mich nicht gebraucht.«
    »Jedes Kind braucht seine Eltern.«
    »Hermann war alt genug. Und Elisabeth hatte Joseph.«
    »Seinen Augapfel«, ergänzte Ehrlinspiel, der in der Vater-Tochter-Beziehung etwas wie Eifersucht Friedas festzustellen glaubte.
    Sie nickte. »Sie hat sich an ihn geklammert. Und ihm hat das gefallen. Sie waren wie … ein Liebespaar. Und jetzt brabbelt er plötzlich so rührend von Sina.«
    Ein Liebespaar?
Ehrlinspiels Gedanken rotierten, doch sein Handy unterbrach seine Überlegungen.
    Zuerst dachte er, Brock würde sich melden, und riss das Mobiltelefon aus der Tasche. Doch es war Monika Evers. Sie hatte festgestellt, wem die letzten Anrufe von Johannes gegolten hatten. Ehrlinspiel sah Frieda an, während er zuhörte. »Kommen Sie sofort zum Sommerhof«, sagte er zur Polizeiobermeisterin und legte auf.
    »Wo ist –«, setzte er an, als das Handy in seiner Hand erneut klingelte. Paul Freitag. Wieder lauschte er schweigend und sagte dann: »Schick Verstärkung. Und beeil dich.«
    Er lief zur Tür. Im Flur kauerte Renate, ihre Augen gingen angstvoll zwischen Frieda und ihm hin und her. »Er … er ist … mit ihr zur Rabenschlucht gegangen«, stammelte sie erstickt. »Er wird auch Sina töten.«

[home]
36
    S ina hielt ihre Fackel fest umklammert, die einen flackernden rotgoldenen Schein auf die dünne Schneedecke warf. Die Gestalt neben ihr schwieg, seit sie losgegangen waren. Kahle Äste reckten sich ihnen entgegen, als wollten sie mit dürren Fingern vor drohender Gefahr warnen. Dahinter begann das schwarze Tannendickicht, dessen Dach langsam weiß wurde.
    Es war fast ein Jahr her, seit sie das letzte Mal diesen Weg gelaufen war. Im schweigenden Marsch der Dorfbewohner, die zur Schlucht gezogen waren. Jetzt, zu zweit, schien ihr die Situation unwirklich – wie in einem Film. Es drängte sie, die Stille zu durchbrechen und zu fragen, was ihr Begleiter ihr zeigen wollte. Warum er nicht schon vorher mehr hatte sagen wollen als: »Ich kenne die Wahrheit. Über Felix und Elisabeth. Ich kenne deine Erlösung.« Doch sie wagte nicht zu sprechen und glaubte, sowieso keinen Ton herauszubringen, weil ihre Kiefer verkrampften. Sie musste die Zähne aufeinanderbeißen, um nicht mit ihnen zu klappern, aus Angst davor, was sie nun erfahren würde.
    Lautlos setzten sich die Schneeflocken auf die schwarzen Federn ihres Kostüms. Er hatte sie gedrängt, es gleich anzuziehen. Sie würden als Erste bei der Schlucht sein, hatte er gesagt. Dort würde sie verstehen. Wenn die anderen kämen, würden sie die Fackeln löschen und sich von einem Seitenpfad in die Prozession einreihen. Keiner würde etwas merken. Sina hatte das bezweifelt. Doch ihre Hoffnung war stärker gewesen als alle Vernunft.
    Mühsam tasteten sie sich den Weg hinauf, und der grobe Baumwollstoff kratzte in ihrem Gesicht. Sie warf ihm einen Seitenblick zu. Das Fackellicht tanzte auf seiner Maske, und der Schatten des Rabenschnabels erinnerte sie an eine kleine Sense.
    Weshalb sagte er nichts?
    Stiche durchzogen ihren Magen. Sein Schweigen jagte ihr Beklemmung ein. Doch es gab kein Zurück mehr. Sie war diesen Schritt gegangen. Hatte den Hof aufgesucht, um der Wahrheit endlich auf den Grund zu gehen. Und wenn die noch so schrecklich war – sie würde es durchstehen.
    Er ging jetzt ganz dicht neben ihr, und der Ruß der Fackel brannte ihr in der Nase.
    Wann hatte sie das letzte Mal gebetet? Vor Felix’ Geburt, damit alles gutginge? Oder als er verschwunden war und sie Gott angefleht hatte, ihn ihr wiederzugeben? Wann hatte sie das Vertrauen in den Glauben verloren?
Bitte, lieber Gott,
betete sie jetzt still,
mach, dass er mich zu Felix bringt. Hilf mir, bitte!
    Sie schluckte schwer. Was betete sie bloß? Zu Felix bringen? Wo sollte er denn sein, hier draußen, im Winter, nach so vielen Jahren. Wusste sie im Grunde ihres Herzens nicht, dass er nie wiederkehren würde? Stellte er ihr vielleicht eine Falle? Aber wozu?
    »Wohin bringst du mich?«, fragte sie, ihren ganzen Mut zusammennehmend.
    »Zur Wahrheit. Wolltest du doch.« Unbeirrt ging er weiter. Von der Fackel stoben Funken und

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