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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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wieder irgendetwas auf. Anja griff nach ihrer Tasse und trank einen Schluck von dem inzwischen lauwarmen Tee.
    »Also«, begann Dallmann, »am Montag hatten Sie mit Ihren Bohrungen begonnen, und dabei war Xaver Leybach Ihnen bereits einmal begegnet. Er war sehr aufgebracht und wollte nicht, dass Sie die Arbeiten auf seinem Grundstück durchführen. Sie haben ihn anhand einer Fingernarbe wiedererkannt und ihn namentlich angesprochen, woraufhin er abrupt weglief. War das in etwa der Ablauf?«
    Anja nickte nur.
    »Am Dienstag, sagen Sie, haben Sie die Gemarkung erneut bearbeitet und sind dann am Nachmittag noch einmal allein zur Wildwiese zurückgekehrt, um einige Proben zu überprüfen, die Sie am Vortag gezogen hatten. Ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Was waren das für Proben?«
    »Bodenproben. Ganz normale Bodenprofile.«
    »Und warum mussten sie überprüft werden?«
    »Weil sie auffällig waren. Ich dachte, ich hätte einen Fehler gemacht.«
    »Und was haben Sie festgestellt?«
    »Meine ursprünglichen Ergebnisse waren richtig. Die Wildwiese im Haingries enthält eine Parzelle, wo der Boden tiefgründig gestört wurde.«
    »Ist das außergewöhnlich?«
    Anja setzte zu einer längeren Antwort an, hielt dann inne und sagte nur: »Die Profildaten zeigen an, dass die Stelle vor geraumer Zeit erheblich umgegraben worden ist.«
    »Was an sich nichts Außergewöhnliches in einem gerodeten Waldstück ist, oder?«
    »Außergewöhnlich war vor allem, dass Xaver Leybach plötzlich hinter mir stand und mit einem dreiläufigen Jagdgewehr auf meinen Kopf zielte.«
    Gerlach räusperte sich. Dallmanns Augenbrauen fuhren nach oben. »Ja, in der Tat schockierend. Und ich beglückwünsche Sie aufrichtig zu Ihrem besonnenen Verhalten. Aber Sie wissen auch, dass Sie nach dem Vorfall vom Vortag eigentlich kein Recht hatten, diesen Privatwald ohne vorherige Rücksprache mit dem Besitzer einfach wieder zu betreten. Oder war Ihnen das nicht klar?«
    Anja glaubte, sich verhört zu haben.
    »Nein. Das war mir durchaus nicht klar«, erwiderte sie schroff.
    »Das habe ich befürchtet«, sagte Dallmann und machte sich schon wieder eine Notiz. »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Natürlich geht es nicht an, dass Waldbesitzer unbefugtes Betreten mit vorgehaltener Waffe ahnden. Aber Sie hatten Xaver Leybach doch bereits am Vortag erlebt und gesehen, dass er ein aufbrausender Sonderling war. Hätten Sie nach diesem ersten Zwischenfall vor einer zweiten Begehung nicht besser eine Genehmigung einholen sollen?«
    Anja konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Eine Genehmigung? Bei wem denn bitte? Ist das Ihr Ernst?«, fuhr sie ihn empört an. »Hier läuft ein geistig gestörter Mensch bewaffnet frei im Wald herum, und Sie kommen mir mit Genehmigungen? Alle Waldbesitzer sind von Amts wegen bezüglich der Kartierungsarbeiten informiert worden. Was für eine Befragung ist denn das hier eigentlich?«
    »Bitte beruhigen Sie sich«, sagte Dallmann kühl und ignorierte, dass Gerlach Anstalten gemacht hatte, sich wieder in das Gespräch einzumischen. »Ich sagte bereits, dass wir hier zunächst nur Fakten sammeln. Tatsache ist, dass Sie ohne Genehmigung in einem Privatwald Bodenproben entnommen haben. Dass Xaver Leybach eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellte, wissen wir leider erst jetzt. Sie und Ihr Kollege hatten indessen schon vorher Kenntnis von seinem – wie soll ich sagen – labilen Gemütszustand gewonnen. Nach unserer Erkenntnis ist Xaver nie als gefährlich oder gewalttätig aufgefallen. Das ist mehrfach bezeugt. Wir wollen doch nur rekonstruieren, was geschehen ist. Also bleiben Sie bitte sachlich, Frau Grimm. Ich habe Verständnis für Ihre Gefühle. Aber Gefühle sind schlechte Ratgeber, wenn es um Tatsachen geht.«
    Alles in ihrem Kopf begann sich zu drehen. Sie blickte zornig Gerlach an, dessen Mundwinkel tief nach unten gezogen waren. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass ihn der Verlauf dieser Befragung irritierte. Aber er griff nicht ein. Konnte es vermutlich auch nicht. Anja versuchte zu begreifen, worauf dieser Dallmann mit seinen idiotischen Fragen und Schlussfolgerungen hinauswollte. Dass sie an dem ganzen Unglück schuld war? Sie konnte nicht mehr an sich halten.
    »Tatsachen«, blaffte sie ihn an. »Ein geisteskranker Sonderling hat mich gestern mit der Waffe bedroht, anschließend seine Mutter umgebracht und sich aufgehängt. Das ist eine Tatsache. Die andere ist, dass im selben Waldstück, wo vor ein paar Stunden

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