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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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diese Möglichkeit, die sie am meisten quälte. Und ihre Mutter auch.
    Während sie ins Erdgeschoss zurückkehrte, dachte sie wieder an Xaver. Gewissensbisse nagten an ihr, denn obwohl an Dallmanns Sichtweise der Dinge sicher etwas dran war, wurde sie den Verdacht gegen Xaver einfach nicht los. Aber war dem Xaver Leybach, den sie als Kind gekannt hatte, ein heimtückischer Mord überhaupt zuzutrauen? Warum hätte er ihrem Vater etwas antun sollen? Er war ihm gegenüber genauso scheu und zurückhaltend gewesen wie gegenüber allen anderen Menschen. Nirgends in ihrer Erinnerung konnte sie den geringsten Anhaltspunkt für Gewalt oder Aggression in der Person Xavers finden, die sie vor zwanzig Jahren gekannt hatte. Ihr Vater war außerdem ein großer, kräftiger Mann gewesen.
    Vielleicht war es tatsächlich an der Zeit, eine symbolische Beerdigung vorzunehmen. Ja, hatte ihr die letzte Woche nicht gezeigt, dass sie allmählich ernsthaft Gefahr lief, den Pfad ihrer Mutter einzuschlagen?

23
    W as willst du?«
    »Wir müssen reden.«
    »Dann rede.«
    »Nein. Nicht am Telefon. Ich will vorbeikommen. Hast du Zeit? Ich bin in der Nähe.«
    Heinbichler hörte ein kurzes Schnauben am anderen Ende der Leitung.
    »Ist es wegen der Anna und dem Jungen?«
    »Du weißt es also schon?«
    »Kam ja in den Nachrichten.«
    »Ich … Alois, ich hätte dich längst angerufen …«
    »Werde nicht sentimental. Der Anna ihr Leben war doch nur noch ein Pflanzendasein, oder? Deine Worte. Und der Junge war sowieso hoffnungslos. Also. Wenn du zum Kondolieren kommen willst, dann kannst du dir den Weg sparen.«
    »Es ist leider komplizierter, Alois.«
    »Kompliziert? Für wen?«
    »Für uns alle. Ich bin in dreißig Minuten da.«
    Heinbichler legte das Handy auf den Beifahrersitz und beschleunigte wieder. Die Ausfahrt nach Deggendorf hatte er soeben passiert, es waren also noch knapp sechzig Kilometer bis Passau. Alois Leybachs Stimme war wie zu erwarten sehr abweisend gewesen. Er wusste es also schon. Und er hatte sich nicht bei ihm gemeldet. So weit ging also seine Vorsicht. Wobei die neue Situation ihm recht gab. Wenn sie jetzt nicht aufpassten, konnte alles Mögliche geschehen. Aber Heinbichler hatte keinerlei Bedürfnis, dieses Problem alleine zu regeln. Alois bildete sich doch ein, noch aus jeder Situation einen Ausweg zu finden. Also konnte er das jetzt gefälligst auch tun.
    Er drückte das Gaspedal noch tiefer und raste mit einhundertsechzig Sachen die A3 entlang. Fünfundzwanzig Minuten später hatte er Passau erreicht. Der Wohnblock am Weinleitenweg lag nicht weit von der Abfahrt Passau-Mitte entfernt. Aber wie Heinbichler sehr gut wusste, war es Alois Leybach bei der Wahl seiner Wohnung um eine ganz andere Entfernung gegangen: die zur österreichischen Grenze. Bildete der alte Narr sich wirklich ein, das könne ihm im Ernstfall etwas nützen?
    Der Parkplatz vor dem fünfstöckigen Flachbau war spärlich besetzt. Heinbichler stieg aus, ließ seinen Blick kurz über die triste Fassade schweifen und machte sich dann auf den Weg zum Eingang. Er war schon länger nicht mehr hier gewesen, was nichts daran änderte, dass ihn ein merkwürdiges Gefühl überkam, wenn er seinen eigenen Namen auf dem Klingelschild las. Er blickte missbilligend auf die verschmierten Wände im Eingangsbereich. Elendes Gesockse. Lebten auf Staatskosten hier und schmierten auch noch alles voll, was man ihnen zur Verfügung stellte. Er hasste die Eigentümer, die an das Sozialamt vermieteten, aber dagegen konnte man leider nichts unternehmen. Als der Türöffner summte, musste er drei Mal fest dagegendrücken, bis die verklemmte Tür sich endlich öffnete. Aus dem engen Treppenhaus schlug ihm abgestandene Luft entgegen.
    Der Fahrstuhl war natürlich kaputt, und so musste er bis in den dritten Stock die Treppen gehen. Alois Leybach stand in der geöffneten Tür.
    »Hallo, Rudolf«, sagte er und streckte ihm die Hand entgegen. Er schüttelte ihm stumm die Hand. Dann gingen sie hinein. Heinbichler schloss die Tür. Die kleine Wohnung war überheizt, aber reinlich und aufgeräumt. Allem Anschein nach war die neue Putzfrau besser als die alte und vor nicht allzu langer Zeit tätig gewesen. Außer einem großen Fernsehgerät, einer Schrankwand aus Palisander und einer Couchgarnitur aus dunkelbraunem Breitkordstoff war nicht viel an Einrichtungsgegenständen vorhanden.
    »Magst du was trinken?«, fragte Leybach. »Da steht Mineralwasser.«
    »Alles in Ordnung mit der

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