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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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blickte Heinbichler finster an. »Und das alles erzählst du mir erst jetzt!«
    Heinbichler zuckte mit den Schultern, unterließ es aber, Leybach daran zu erinnern, dass er ihn vor einer Stunde noch hatte abwimmeln wollen.
    »Sie hat überall Proben gezogen«, fuhr er ruhig fort. »Sie sucht nach irgendetwas, das steht fest. Und am Freitag war wieder die Polizei da. Den ganzen Vormittag. Gustav sagt, dass sie Bodenradar eingesetzt haben. Die wollen jeden Quadratmeter untersuchen.«
    Heinbichler hielt inne, offenbar in Erwartung einer Erwiderung. Aber Leybach sagte nichts. Er schüttelte nur immer wieder den Kopf, als könne er diese lästigen Informationen dadurch loswerden.
    »Haben natürlich nichts gefunden«, fügte Heinbichler nach einer Weile hinzu.
    »Natürlich nicht«, rief Leybach erregt aus. »Es ist ja nichts da.«
    »Ich weiß.«
    Sie schwiegen. Heinbichler schwitzte. Wie konnte Alois diese Hitze ertragen? Er zog seine Jacke aus.
    »Seit wann ist sie in der Gegend?«
    »Grossreither sagt, seit drei Wochen.«
    »Und wozu?«
    »Angeblich macht sie ein Praktikum. Studiert Forstwirtschaft in München oder so etwas.«
    »Ein Praktikum. In Faunried!«
    »In Waldmünchen. In Faunried wird nur kartiert.«
    Leybach schnaubte kurz. Dann stand er eine Weile lang still und ließ keine Regung mehr erkennen. Schließlich sagte er: »Was ist mit Franz? Hast du schon mit ihm gesprochen?«
    Heinbichler nickte, und sein Gesichtsausdruck wurde düster. »Er will ihnen am Sonntag erklären, was passiert ist.«
    »Wozu denn das?«
    »Er glaubt, dass es besser ist, wenn sie Bescheid wissen. Wenn du mich fragst, dann ist Waltraud die treibende Kraft. Aber wie dem auch sei: Morgen Abend sollen sie alles erfahren.«
    »Franz ist ein Idiot«, schimpfte Alois Leybach. »Was soll es für einen Sinn haben, seinen Bengeln alles zu erzählen?«
    »Ich weiß es nicht, Alois. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sowieso das ganze Dorf Bescheid weiß. Können wir sicher sein, dass die anderen jahrelang dichtgehalten haben? Auch die, die schon tot sind? Das kann niemand wissen. Mit den Jahren ist sicher etwas durchgesickert, glaubst du nicht?«
    »Und wenn es so wäre«, lenkte Leybach mit gepresster Stimme ein. »Soll doch nur einer das Maul aufmachen! Dann red ich auch …«
    Er ging zum Fenster, schaute auf die Landschaft hinaus. Er spürte Heinbichlers Blick in seinem Rücken. Es fiel also mal wieder alles auf ihn zurück. Er sollte entscheiden. Er horchte in sich hinein und versuchte, seine Erregtheit genauer zu verstehen. War es Angst, was er da spürte? Nein. Dieses Gefühl kannte er zu gut: diese ständige Angst, doch noch entdeckt zu werden. Nicht dass er sich einen Dreck um die Meinung der Welt scherte. Aber bevor er mit sich machen lassen würde, was manchen anderen Unglücklichen seiner Art getroffen hatte, würde er einen Schnitt machen. Er oder sie.
    Was wussten die Leute denn schon? Sie hatten schließlich nichts anderes getan als hunderttausend andere auch. Vielleicht ein wenig gründlicher. Ein wenig überzeugter. Na und? Die Gesellschaft, in der sie aufgewachsen waren, hatte Regeln und Normen bestimmt, nach denen sie sich zu richten hatten. Das war alles. Und dies war überall so. Als die Normen geändert wurden, waren sie ohne Murren den neuen Regeln gefolgt. Und wenn dieser verfluchte Lehrer nicht in Faunried aufgetaucht wäre, dann wären sie auch nicht gezwungen gewesen, noch einmal nach den alten Regeln zu verfahren. Aber so war es nun mal. Sie hatten keine Wahl gehabt. War es vielleicht ihre Schuld, in einer Zeit gelebt zu haben, in der auf halber Strecke die Spielregeln plötzlich neu geschrieben wurden? War das vielleicht ihr Fehler?
    Alois Leybach starrte noch immer aus dem Fenster. Er spürte, wie kalte Wut in ihm hochstieg beim Gedanken daran, was ihm demnächst blühen könnte. »Also gut. Sag Gustav Bescheid!« Das kam leise, aber bestimmt. »Und Albrecht. Wir müssen uns morgen zusammensetzen. Vielleicht am besten bei dir.«

24
    S ie verbrachte am nächsten Morgen fast zwei Stunden damit, den Mansardenschlüssel zu suchen. Im Schlüsselschrank neben der Eingangstür lag er nicht. Ihre Mutter zu fragen hielt sie für unklug. Also durchstöberte sie systematisch alle Schubladen und Schränke, was viele interessante und längst vergessene Gegenstände zutage beförderte, aber nicht den gesuchten. Erst im Werkzeugkeller stieß sie auf eine Dose mit einer ganzen Reihe von Schlüsseln, von denen einer

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